Selbst sein Geburtsjahr ist nicht so ganz klar. Es könnte 1960 oder 1961 sein – offensichtlich weiß er das selbst nicht so genau. Abdourahamane Tiani, Chef der Militärjunta im westafrikanischen Niger, wird nachgesagt, rätselhaft, wortkarg und stur zu sein: Eigenschaften, die im Zusammenhang mit seinem Staatsstreich vor knapp drei Wochen alle zum Vorschein kamen.

Selbst zwei Tage nach dem Coup wusste die Welt noch immer nicht, wer eigentlich hinter ihm stand. Erst dann zeigte sich der Chef der Präsidentengarde, der Staatschef Mohamed Bazoum eigentlich schützen und nicht stürzen sollte, im staatlichen Fernsehen und sagte ein paar Worte. Dann wurde es wieder ruhig um ihn. Bei einer Kundgebung der Militärs im Stadion der Hauptstadt Niamey war das wortkarge Enigma nirgendwo zu sehen – zahlreiche Emissäre, die zu Gesprächen ins Land gekommen waren, empfing er erst gar nicht.

General Tiani im Fernsehen.
Putschist Tiani zeigte sich für wenige Momente im Fernsehen.
AFP/ORTN - Télé Sahel/-

Selbst im eigenen Land wusste kaum jemand, wer dieser General eigentlich ist. Er kommt aus bescheidenen Verhältnissen und begann seine Karriere als gemeiner Soldat, um sich über vier Jahrzehnte hinweg von Dienstgrad zu Dienstgrad zu kämpfen. Als Offizier besuchte er Ausbildungskurse in Frankreich, im Senegal und in den USA und befehligte Friedenstruppen im Kongo, Darfur und in Côte d'Ivoire. Aus der Politik hielt er sich stets peinlichst heraus: Wenn er mit seinem Gönner, Bazoums Vorgänger Mahamadou Issoufou, zusammentraf, habe "Issoufo viel und Tiani fast nicht geredet", erinnert sich ein Ex-Minister.

Als Grund für seinen Staatsstreich gab Tiani an, das von der schlechten Regierungsführung Bazoums angeschlagene Land vor einer Katastrophe retten zu müssen. In Wahrheit war der inzwischen als Geisel gehaltene Präsident durchaus erfolgreich – hatte jedoch die Dreistigkeit, Tianis rund 700-köpfige Truppe auch finanziell genauer unter die Lupe zu nehmen und ihren Kommandanten in den Ruhestand schicken zu wollen. Der Chef der Präsidentengarde begehrte gemeinsam mit dem von Bazoum bereits geschassten Generalstabschef Salifou Modi auf: In Wahrheit war der Coup die Revanche grantiger Generäle.

Selbst wenn Tiani von Politik und vom Regieren keine Ahnung hat: Seine dritte Charaktereigenschaft hilft ihm in diesen Tagen weiter: seine Sturheit. Der Chef des "Nationalrats für die Rettung der Heimat" lässt alle Appelle und Warnungen an sich abprallen – selbst die Drohung des westafrikanischen Staatenbunds Ecowas mit einer militärischen Intervention. Wer gedacht hatte, der wortkarge General würde schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, hat sich getäuscht: Die Welt wird den sturen Unbekannten noch besser kennenlernen – ob sie es will oder nicht. (Johannes Dieterich, 14.8.2023)