Im zweiten ORF-"Sommergespräch" des heurigen Jahres war am Montagabend Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler an der Reihe. Gleich zum Start fragte Interviewerin Susanne Schnabl Kogler nach dessen seit längerer Zeit meistzitiertem Satz, wonach die Rede von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von den "Normalen" "präfaschistoid" sei. Es sei ihm dabei darum gegangen, welche Sprache verwendet werde, und "dass nicht eine Obrigkeit irgendwie bestimmt, was normal ist", sagt Kogler. Zurücknehmen wolle er die Formulierung nicht, sagt er auf Nachfrage. "Warum auch?" Schließlich seien mit der Vorsilbe "prä-" und durch die Wortwahl „faschistoid" ohnehin gleich zwei Abschwächungen der Zuschreibung "faschistisch" enthalten.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Moderatorin Susanne Schnabl beim ORF-
Im Begriff "präfaschistoid" sind bereits zwei Abschwächungen enthalten, sagt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) beim ORF-"Sommergespräch" zu Moderatorin Susanne Schnabl.
APA/EVA MANHART

Die grassierende Teuerung nahm danach einen längeren Frage-Antwort-Block ein. Eine Mehrwertsteuersenkung bei Grundnahrungsmitteln sei die "Ultima Ratio", sagte der grüne Parteichef. Eine Option könne sie noch werden, wenn die Preise weiter davongaloppieren würden. Im Vergleich zu Deutschland seien diese zuletzt allerdings weniger schnell gestiegen. Als letzte Möglichkeit sieht Kogler die Mehrwertsteuersenkung, weil es für ihn um die vielzitierte soziale Treffsicherheit gehe, und Maßnahmen nicht zu einer "Gießkanne" führen sollen, die auch von Fachleuten häufig kritisiert werde.

"Keine Drohung" gegen Banken

Eine ähnliche Linie ließ Kogler bei den Banken erkennen. Diese solle man nicht zum Feindbild erklären, sagt er. "Da unterscheide ich mich hoffentlich von den Populisten." Eine Übergewinnsteuer für Kreditinstitute sei trotzdem nicht vom Tisch. Die Voraussetzung dafür? "Wenn der Beweis erbracht ist, dass diese Zinsdiskrepanzen ökonomisch nicht mehr erklärbar sind", sagte Kogler, selbst Volkswirt. "Und es deutet tatsächlich einiges darauf hin." Dies müsse aber "ökonomisch überlegt" passieren, um keine gefährlichen Folgen auszulösen.

Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch, ein Parteikollege Koglers, habe zudem bereits den Verein für Konsumentenschutz beauftragt, Klage gegen eine der größten Banken in Österreich zu führen. Als Drohung gegen Kreditinstitute will er das auf Nachfrage von Interviewerin Schnabl aber nicht verstanden wissen. "Ich bin immer für Emotion und sogar dafür bekannt, aber man muss auch einmal die Vernunft walten lassen."

"Allianz für den Bodenschutz"

Nächstes großes Thema im "Sommergespräch": der Klimawandel. Wenn Extremwetterereignisse wie Hochwasser und Hitzewellen "das neue Normal" seien, müsse die Politik dann etwa darauf reagieren, indem sie das Versicherungssystem ändere? Dies sei für ihn einmal "das Hintangestellteste", antwortet der Chef-Grüne. Es sei "schon ein bissl absurd", dass wir in einer Lage, in der "der Planet extremes Fieber bekommt, darüber reden müssen, wie wir das Aspirin verteilen". Auch im Parlament würden sich immer mehr "Klimawandelleugner" mit "Putinverstehern" zusammentun. Dass die türkis-grüne Bundesregierung das lange angekündigte Klimaschutzgesetz noch immer nicht beschlossen hat, kann Kogler unterdessen nicht wegwischen.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel sei auch ein großes Problem, dass zu viel Boden zubetoniert werde. Da müsse gebremst werden. "Ja, wir müssen da drastisch runter", sagte Kogler. Es brauche eine "Allianz für den Bodenschutz", denn der sei gleichzeitig "Hochwasserschutz, Artenschutz und Lebensmittelschutz". Der Bodenversiegelung entgegenzuwirken, würde auch bedeuten, dass es weniger Supermärkte gerade in kleinen Orten und weniger Einfamilienhäuser geben könne, entgegnete Schnabl. Ob er den jungen Leuten, die sich laut aktuellen Studien zu beträchtlichen Teilen weiter ein Einfamilienhaus wünschen würden, dann erklären werde, "das wird’s nicht mehr spielen"? "Das wird durchaus möglich sein", sagte wiederum der Parteichef. Genügend Flächen seien entsprechend gewidmet. Den Menschen zu erzählen, dass es "neun Millionen Einfamilienhäuser" geben könne, werde aber kaum Sinn machen.

"Nix mehr daschlog‘n"

Nicht wenige Leute würden sagen, dass Koglers bisher größter Erfolg darin bestanden habe, Ex-Kanzler Sebastian Kurz vom Koalitionspartner ÖVP zum Rücktritt gebracht zu haben, witzelte die ORF-Moderatorin – was Kogler wenig überraschend prompt zurückwies. Ob bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eigentlich alles korrekt ablaufe, fragte Schnabl nach – einige von den Korruptionsjägern initiierte Verfahren haben diese zuletzt nicht durchgebracht. Kogler argumentierte, man habe das rechtsstaatliche Prinzip verteidigen müssen, das "schwer angegriffen" gewesen sei. Durch den Einsatz der Grünen würde in der Justiz mittlerweile "nix mehr daschlog‘n". Dennoch gebe es auch bei der WKStA „möglicherweise Verbesserungsbedarf".

Selbst die Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka trete dafür ein, Beschuldigtenrechte zu stärken, warf Moderatorin Schnabl ein. Da sei er dabei, sagte Kogler. Es gehe nicht nur um die "clamorösen Fälle" besonders prominenter Beschuldigter, sondern ganz grundsätzlich um bessere Entschädigungen für Personen, die nach zurückgelegten Fällen womöglich finanziell ruiniert seien. "Und ja, auch der Herr Strache hat Anspruch auf eine Entschädigung", sagte Kogler.

Im Gesundheitssystem "viel verschlafen"

Auch zu den gravierenden Problemen im Gesundheitssystem befragte Schnabl den Grünen-Chef. Im Zuge der aktuellen Verhandlungen mit den Ländern würden Kenner der Materie befürchten, dass das System in fünf Jahren "an die Wand fährt", wenn nichts Entscheidendes passiere. Österreich habe immer noch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, konterte Kogler. Es sei aber "viel verschlafen" worden. Das System würde dann an die Wand fahren, "wenn viele den Kopf in den Sand stecken."

Zum Schluss bat Schnabl Kogler, der für seine eher langen Ausführungen und verschachtelten Sätze bekannt ist, seine bisherige Kanzlerschaft in nur einem Satz in ein Heft zu schreiben. "Und zwar ohne Beistrich", ergänzte sie. "Es geht um die Zukunft unseres Planeten", trug der Vizekanzler wie gefordert handschriftlich ein. Das sei es, was ihn antreibe. (Martin Tschiderer, 14.8.2023)