Dracula
Dracula ist kein bleicher Adeliger, der mit sich reden lässt, sondern ein Monster: Das ergibt einen düsteren Thriller, der gegen Ende in plakative Action abdriftet.
AP/Rainer Bajo

Die Fledermaus hat einen schlechten Ruf. Und seit der Corona-Pandemie und deren vermuteten Ursprung hat sich das wohl nicht gebessert. Auch die Besatzung des Segelschiffs Demeter vermutet zunächst eine Seuche, als bald nach Auslaufen alle Tiere an Bord tot sind. Die Bissspuren sagen etwas anderes – das Böse ist an Bord, so viel ist klar.

Universal Pictures

Um das zu erkennen, muss man auch nicht in Cambridge Medizin studiert haben, wie der Afrobrite Clemens, der als Seemann auf der Demeter angeheuert hat. Der Herr Doktor bekommt auch recht bald Arbeit, als ein blinder Passagier gefunden wird: eine junge Frau, die von Graf Dracula als lebendiger Reiseproviant in eine Holzkiste verpackt wurde. Die Matrosen rund um den Maat Wojchek kriegen es gleich mit der Angst zu tun bei so viel Weiblichkeit an Bord.

Doch Doktor Clemens rettet die Frau mittels eigener Bluttransfusion, wobei ihn anno 1897 die erst später von Karl Landsteiner entdeckten Blutgruppen genauso wenig interessieren wie Dracula bei seiner Beißerei.

Arme Besatzung

Der Graf selbst hält sich zunächst im Hintergrund, mordet sich dann aber zusehends durch die kleine Besatzung des Schiffs. Tagsüber liegt er in einer mehr als auffälligen Holzkiste mit Drachenlogo im Frachtraum, Leser von Bram Stokers Gothic-Klassiker wissen: Der blaublütige Untote verschifft sich selbst als Gepäckstück nach London, das Postsystem im 19. Jahrhundert war eben noch verlässlich!

The Last Voyage of the Demeter basiert jedenfalls auf nur einem einzigen Kapitel des Romans, dem Logbuch von Kapitän Eliot (Sympathieträger Liam Cunningham aus Game of Thrones). Der tritt mit der Überfahrt nach London seine letzte Reise an, aber anders, als er sich das vorgestellt hat.

Dracula ist hier bis zum Schluss ein zusehends stärker werdendes Monster und kein untoter Mensch. Damit hält sich auch die im Dracula-Mythos verpackte bürgerliche Angst vor den blutsaugenden reichen Adeligen aus dem Osten in Grenzen, die den Antisemitismus und Rassismus der Zeit allegorisierte. Und auch die gebissene junge Frau weiß sich in einem Film des Jahres 2023 zu wehren, während die abergläubischen Matrosen nach und nach von ihrer Vampir gewordenen Angst eingeholt werden.

Gefährlich wie in "Alien"

Dabei würde ein bisschen Sonnenlicht im Frachtraum das Problem recht schnell lösen. Doch der Film springt von Nacht zu Nacht, am Tag bleibt alles ruhig. Regisseur André Øvredal legt seine minimalistische Vampirgeschichte konsequent als Monsterfilm an.

Dabei sind die Parallelen der Demeter zum Weltraumfrachter Nostromo aus Alien unübersehbar. Paranoia und Selbstverteidigung auf engstem Raum mit einer letztlich doch rasant schwindenden Mannschaft. Das ergibt einen düsteren Hochsee-Thriller, der gegen Ende in plakative Action mit Gore-Elementen abdriftet.

Und weil Graf Nimmersatt nach Kapitel VII nicht aufhört, Blut zu saugen und – Achtung kein Spoiler – im pulsierenden Herz des Empires ankommt, fühlt sich der Film dann doch ein wenig wie eine Prequelfolge der Penny Dreadful-Horrorserie an. Daran ändert auch die Filmempfehlung von Horror-König Stephen King via Twitter nichts.

Für einen blutigen Bootsausflug ist die berühmteste Fledermaus aller Zeiten, die schon lange vor Batman das Weltkino unsicher machte, aber allemal noch frisch genug. (Marian Wilhelm, 17.8.2023)