Wer als Wirt angehende Köche ausbilden will, kommt in Österreich um Innereien und Apfelkren auf der Speisekarte nicht herum. Wer Heizungstechnik lernen will, muss nie mit Wärmepumpen hantiert haben. Unternehmen, die an nur vier Tagen die Woche arbeiten, ist die Ausbildung von Lehrlingen gänzlich versperrt.

Ist Österreichs Lehre noch zeitgemäß? Kritik mehrt sich.
Heribert Corn

Es sind drei Beispiele, die Sinnbild für den "ruinierten Ruf" der österreichischen Lehrlingsausbildung sind. Zumindest aus Sicht der Neos. In einem offenen Brief an VP-Arbeitsminister Martin Kocher drängen sie auf eine umfassende Modernisierung der Lehre. Das einstige Erfolgsmodell habe keine Zukunft, so der Tenor der Neos. Ohne rasche Reformen drohten der Wirtschaft fatale Folgen.

Fehlendes Rüstzeug für Energiewende

"Die Rahmenbedingungen der Lehrausbildung sind im vergangenen Jahrhundert hängen geblieben", richtet Unos-Bundesvorsitzender Michael Bernhard Kocher aus. Bernhard sieht es an Rüstzeug für die Energiewende fehlen. So seien erneuerbare Technologien in der Installations-, Fahrzeug- und Gebäudetechnik nur Wahlfächer. Es brauche in der Lehre dringend verpflichtende Inhalte zu Alternativenergieanlagen und Elektroantrieben.

Rezepte haben die Neos auch für die von der Grünen Wirtschaft angestoßenen, heiß geführten Debatte über vegane Köche. Eine eigene Lehre für diese sei zwar nicht nötig, meint der Lehrlingssprecher der Neos, Yannick Shetty, und führt die in Relation geringe Zahl an rein vegetarischen und veganen Restaurants ins Treffen. Er schlägt aber vor, die Kochlehre in Grund-, Haupt- und Spezialmodule aufzusplitten. Damit ließe sich Vielfalt der Küche fördern. Gastronomiebetriebe könnten in jedem Fall auch ohne Schnitzel im Angebot sehr gute Lehrlinge ausbilden.

Nahrung für vegane Küche

Joachim Ivany, der die Grünen in der Wirtschaftskammer vertritt, ist dieser Idee nicht abgeneigt, hält sie aber für verfrüht. Denn dafür müsste Österreichs Gastronomie die gesamte klassische und von der eigenen Zunft oft gepriesene Kochlehre in ihre Einzelbestandteile zerlegen und völlig neu formen. "Das macht Sinn, ist derzeit aber unrealistisch."

Die Sorge der Neos, dass einige hundert fleischlose Betriebe für eine eigene Lehre zu wenig Nahrung bieten, teilen die Grünen nicht. Zu groß sei mittlerweile der Bedarf an veganem Know-how auch in gemischten Küchen landauf landab. Diesen Freitag tagt dazu die Wirtschaftskammer. Vertreter des Fachverbands der Gastronomie beraten sich mit Branchenexperten über das weitere Vorgehen. Das Wirtschaftsministerium will sich der Sache wie berichtet im November annehmen.

Geht es nach den Neos, sollte der Reformwille der Regierung angesichts des starken Fachkräftemangels jedoch weitere Kreise ziehen – zumal die Zahl der Lehrlinge seit 1990 um ein Viertel gesunken sei. Ausbildungsordnungen gehörten entrümpelt und Berufsschulen zeitgemäßer ausgestattet, heißt es in ihrem Schreiben an Kocher. Der Fokus müsse auf Zukunftstechnologien in grünen Berufen liegen. Auch mit der Vier-Tage-Woche sei die Lehre künftig in Einklang zu bringen. (Verena Kainrath, 17.8.2023)