Vor zwei Jahren rieb sich die Welt erstaunt die Augen: Dass sich die USA, um den Afghanistankrieg nach zwei Jahrzehnten beenden zu können, mit einer Machtbeteiligung der Taliban abgefunden hatten, war schwer genug zu schlucken. Dass die paschtunischen Gotteskrieger Kabul schon komplett übernahmen, als die US-Truppen und ihre Verbündeten noch nicht einmal das Feld geräumt hatten, war ein Schock. Die Supermacht sah verheerend aus. Sie erwies sich nicht nur als schwach, sondern auch als unzuverlässig. Die Rechnung bezahlten jene Afghanen und Afghaninnen, die auf die USA gesetzt hatten, um ihre Vision einer demokratischen und modernen Gesellschaft voranzutreiben.

Die Taliban feierten am Dienstag den zweiten Jahrestag des US-Abzugs aus Kabul.
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Man kann davon ausgehen, dass der russische Präsident Wladimir Putin, der ein halbes Jahr später die Ukraine überfiel, die Kapitulation der USA – denn das war es – genau verfolgte. Inzwischen weiß auch er, vorgeführt von einem rabiaten russischen Milizionär, dass seine Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber das hebt die US-Schwäche nicht auf. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren strategische Verschiebungen beschleunigt, die sich damals kaum noch abzeichneten.

Die alten historischen Verbündeten der USA in der Region, allen voran Saudi-Arabien, haben ihre Außenpolitik neu aufgesetzt und nehmen auf die Bedürfnisse Russlands Rücksicht. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Kürzungen der Ölförderquoten in der Opec+. Und China, bisher in der Region "nur" ein wirtschaftlicher Riese, konnte die Rolle eines mächtigen politischen Akteurs übernehmen: Peking hat im derzeit wirkmächtigsten Konflikt des Nahen Ostens, der Konkurrenz zwischen Iran und Saudi-Arabien, die Vermittlung übernommen. Dass die Saudis das akzeptieren, zeigt den massiven Vertrauensverlust den USA gegenüber. Kabul 2021 war nicht der Anfang dieses Prozesses, aber eine wichtige Station. (Gudrun Harrer, 16.8.2023)