Im Gastblog erklärt Georg Langs, Mathematiker und Leiter des Computational Imaging Research Labs an der Med-Uni Wien, wie maschinelles Lernen die Möglichkeiten in der medizinischen Bildgebung und Brustkrebsvorsorge verändert.

Fünf bis zehn Prozent der Tumore werden in Frauen mit einem schon vorab erhöhten Risiko diagnostiziert. In dieser Gruppe ist Magnetresonanztomografie (MRT) die sensitivste Methode, um Mammakarzinome schon in sehr frühem Stadium zu entdecken. Früherkennung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung und kann die vollständige Entfernung des Tumors ermöglichen.

Georg Langs steht mit einem Kollegen vor einem Scan eines Gehirns, auf einem Tisch daneben sitzen zwei Personen mit Laptops
Durch maschinelles Lernen soll das Screening nicht nur zielgerichteter werden, sondern auch neue Möglichkeiten der Früherkennung ermöglichen.
MedUni Wien/feelimage

Gleichzeitig hat die Früherkennung noch Einschränkungen. Zum einen können trotz hoher Sensitivität einige wenige Tumore unerkannt bleiben, zum anderen sind manche Biopsien, die aufgrund von Verdachtsmomenten in der Bildgebung durchgeführt werden, letztendlich doch negativ, das heißt es bestand kein Krebs. Daher stellt sich die Frage: Können wir bisherige Untersuchungen nutzen, um zielgerichteteres Screening durchzuführen?

Bildauswertung durch Maschinen

In unserer Forschung entwickeln wir Algorithmen, die mithilfe maschinellen Lernens MRTs der Brust analysieren und Tumore entdecken und beurteilen. Der Computer lernt dabei von vielen Beispielen. Sie bestehen jeweils aus einem MRT und der verifizierten Information, ob es normales Brustgewebe, eine Läsion, oder einen Tumor enthält. Anhand dieser Daten entwickeln Algorithmen ein Modell der Vielfalt des Aussehens dieser Gewebetypen. Nach dem Training funktionieren die Modelle ähnlich wie der menschliche Sehsinn. Sie bauen aus kleinen simplen Bausteinen ein Bild, das die entscheidenden Eigenschaften zusammenfasst. Anhand dieser klassifiziert das Netzwerk, um was es sich handelt: normales Brustgewebe oder Tumor.

Können Algorithmen Neues entdecken?

In einem Team von Computerwissenschafterinnen, Radiologinnen, Gynäkologinnen und Epidemiologinnen wollen wir aber noch einen Schritt weitergehen: können künstliche neurale Netze schon Veränderungen in der Brust identifizieren, bevor ein diagnostizierbarer Tumor entsteht?

Krebsforschungslauf 2023
MedUni Wien

Das ist schwieriger, weil wir vorab noch nicht wissen, wonach wir suchen. Wir verknüpfen deshalb zwei Ideen. Erstens beobachten die Algorithmen nicht nur ein Bild, sondern vergleichen das MRT mit dem der Voruntersuchung, um Veränderungen wahrnehmen zu können. Zweitens werden die Modelle nur mit Bildern trainiert, die Brustgewebe in Frauen zeigen, die auch in den Folgeuntersuchungen keinen Brustkrebs entwickeln werden. Sogenannte Generative Adversarial Networks (GAN) haben dabei in letzter Zeit enorme Fortschritte gemacht, die riesige Variabilität darstellen zu können.

Mithilfe von GANs können wir so nach Anomalien suchen – Veränderungen im Gewebe, die das Modell noch nie gesehen hat. Das sind die Kandidaten, die zu Läsionen und Mammakarzinomen werden könnten. Bisher konnten wir im Projekt zeigen, dass diese Anomalien in zunächst augenscheinlich negativen MRTs mit dem Entstehen von Läsionen zu einem späteren Zeitpunkt zusammenhängen. Im nächsten Schritt werden wir Modelle entwickeln, um den Verlauf von Anomalie zu Brustkrebs besser zu verstehen und für die Frühwarnung oder adaptives Screening zu nutzen.

Laufen für die Krebsforschung

Unser Projekt wird gemeinsam mit anderen vom Comprehensive Cancer Center (CCC) der Med-Uni Wien und des AKH Wien gefördert. Damit ist die Finanzierung des Projekts sichergestellt. Der Krebsforschungslauf findet heuer zum 17. Mal statt. Melden Sie sich jetzt an und leisten auch Sie einen Beitrag im Kampf gegen Krebs. (Georg Langs, 22.8.2023)