Fun Boy Three Ska Pop Terry Hall
Sangen mit vereinten Kräften an gegen den Rassismus einer zerbrechenden Gesellschaft in Großbritannien: Fun Boy Three (v. li.: Neville Staple, Terry Hall und Lynval Golding).
Chrysalis Records

Government leaving the youth on the shelf": Die The-Specials-Single Ghosttown erschien 1981. Da hatten die Auswirkungen der konservativen, von Gier getriebenen Politik Margarete Thatchers Großbritanniens Innenstädte in Backsteinreservate verwandelt. Die englischen Kommunen waren ausgeplündert, ultrarechter Skinhead-Mob entfesselte physische Gewalt gegen schwarze Mitbürger.

The Specials, Bannerträger der Ska-Bewegung, einer Wiederbelebung jamaikanischer Rocksteady-Rhythmen durch Arbeiter- und Einwandererkinder, zerbrachen. Doch aus den Trümmern der gloriosen 2-tone-Band, die aus Coventry stammte, ging eine der beseeltesten Pop-Vokalgruppen der 1980er hervor.

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Fun Boy Three versammelte die Liedsänger der Specials: Terry Hall, mit ihm zusammen Neville Staple und Lynval Golding. Zwei kurze Jahre lang, bis 1983, schienen die Hitparaden auf der gepeinigten Insel reif für den vollendet eklektischen Pop des Trios: ein mildes, perkussives Scheppern, zu dem die Basssaiten insistierend schwangen.

Über einem fröhlichen Tumult aus Tango und Vorstadt-Swing erhoben sich wundermild die Stimmen von Hall und Co: "The lunatics have taken over the asylum", sangen die drei und: ",Go nuclear‘ the cowboy told us / And who am I to disagree". Den Zeitgenossen Donald Trump im Blick, vergisst man heute allzu leicht auf die gruselige Wirkung, die ein B-Movie-Held wie Ronald Reagan auf die damalige, auf ihr physisches Überleben durchaus erpichte Weltjugend ausübte.

Untergang mit Geschmack

Diese trug Schulterpolster. Im ORF erfreute man sich an einem Tritsch Tratsch-Mädchen namens Vera Russwurm. Stilvollere Pessimisten lasen damals den Philosophen Günther Anders, der "die Antiquiertheit des Menschen" konstatierte. Edward Teller, der "Vater" der Wasserstoffbombe, warb in der Diskussionssendung Club 2 für den Gebrauch seines Babys. Der Wald starb, am Himmel weitete sich das Ozonloch zur gigantischen Bedrohung. Fun Boy Three versüßten einem den Weltuntergang – mit Genussmitteln von vollendetem Geschmack. 69 Songs weist das Gesamtwerk der Combo auf. Bei den meisten Aufnahmen handelt es sich um B-Sides, Outtakes und Varianten, die Chrysalis jetzt in ein schmuckes CD/DVD-Set gepackt hat: The Complete Fun Boy Three.

Aber was für ein schwelgerischer Reichtum. Lebte das Debütalbum noch vom unwiderstehlichen Reiz des Do-it-yourself, half beim Folgealbum Waiting ein gewisser David Byrne (von den Talking Heads) mit bei der Ausformulierung einer zwingenden Weltmusikästhetik.

Kein Wunder also, dass man auf Platte Nummer zwei ein nervöses Funk-Verständnis vorfindet. Man belehnte Curtis Mayfield und kooperierte fröhlich mit der Frauenband Bananarama: Alles war möglich, die gewaltfreie Übernahme der Hitparaden durch Mode-Hipster und Multikulti-Agenten schien eine Frage der Zeit. Doch allzu vertrauensvolle Optimisten wurden eines Besseren belehrt. Jänner 1982 wurde Lynval Golding in Coventry erneut attackiert und von weißen Schlägern übel zugerichtet. Der Sänger-Gitarrist verlor beinahe sein Augenlicht, während Diebe die Zeit des Spitalsaufenthalts nützten, um seine Wohnung leerzuräumen. Fun Boy Three nahmen Summertime auf – ein Video zeigte, wie sie über Wasser gehen. Doch irgendwann schien das Trio der Mut zu verlassen, die Zuversicht, die Dinge könnten sich zum Besseren wenden.

Jede Menge Potenzial

Terry Hall – er verstarb 2022 – setzte sich ab, um eine Solokarriere voranzutreiben. Das Ende der Fun Boy Three war abrupt, eine Menge Potenzial blieb ungenutzt. Als sich die Mutterband, The Specials, 2019 wiederum zusammenschloss, stimmte man auch wieder ihren unverwüstlichen Klassiker an, den von den "lunatics", die die Anstalt übernommen haben. Die Fratze des Wahnsinns will nicht und nicht weichen. Auch deswegen muss man heute Fun Boy Three hören. (Ronald Pohl, 18.8.2023)