Zuletzt traf es unter anderem die Stadt Charkiw, Odessa und mehrere Donauhäfen nahe der rumänischen und moldauischen Grenze. Seit Monaten beschießt Russland die Ukraine mit Drohnen; es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Tote wegen der Drohnenangriffe gemeldet werden.

Viele der Drohnen stammen aus dem Iran; die Modelle nennen sich etwa "Shahed" und "Mohajer". Das Regime in Teheran verkauft sie – zum großen Ärger der USA – an die Russen. Und: In einigen Drohnen finden sich Motoren österreichischer Herkunft, wie etwa Bilder in sozialen Medien immer wieder belegen.

Eine russische Drohne über Kiew, Sekunden vor dem Einschlag
Eine russische Drohne über Kiew, Sekunden vor dem Einschlag.
AP/Efrem Lukatsky

Konkret handelt es sich um Motoren eines Unternehmens im oberösterreichischen Gunskirchen, das eigentlich auf den Motorsportbereich spezialisiert ist: BRP-Rotax, Tochterunternehmen des kanadischen Konzerns Bombardier, rund 1.500 Mitarbeiter, 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz.

"Quelle der Motoren ermitteln"

DER STANDARD berichtete im Oktober 2022 ausführlich über die österreichischen Motoren in den Kampfdrohnen. Rotax gab damals an, "die Situation mit einem Partner in der Ukraine zu untersuchen, um die Quelle der Motoren zu ermitteln". Auch der Mutterkonzern Bombardier kündigte eine Untersuchung an und betonte, man habe seinen Händlern keinerlei Genehmigung erteilt, „Hersteller unbemannter Flugobjekte im Iran oder in Russland zu beliefern". Was wurde aus dieser Ermittlung?

Dieses Foto wurde von den ukrainischen Streitkräften im vergangenen Herbst veröffentlicht: Es zeigt einen Rotax-Motor in einer russischen Drohne.
Dieses Foto wurde von den ukrainischen Streitkräften im vergangenen Herbst veröffentlicht: Es zeigt einen Rotax-Motor in einer russischen Drohne.
Defense Industry of Ukraine

Ein Jahr später läuft die unternehmensinterne Untersuchung noch immer, wie eine Sprecherin von Rotax auf STANDARD-Anfrage mitteilt. Man habe inzwischen aber "erhebliche Fortschritte" gemacht. Konkret: Der Motor einer Mohajer-6-Drohne, die von den ukrainischen Streitkräften abgeschossen wurde, sei "in Zusammenarbeit mit einem Partner in der Ukraine und mit Unterstützung der örtlichen Behörden identifiziert" worden. "Das hat es uns ermöglicht, den Vertriebsweg teilweise zurückzuverfolgen."

Weg der Motoren bleibt unklar

Zur eigentlich interessanten Frage will Rotax allerdings keine Angaben machen: Welchen Weg haben die Motoren nun genommen? Die Untersuchungen liefen noch, teilt die Sprecherin mit. Man stehe diesbezüglich mit unterschiedlichen Behörden in Kontakt. Nur so viel: Die bisherigen Ermittlungen hätten "bestätigt, dass der Motor von keinem unserer Vertriebspartner in den Iran oder nach Russland verkauft wurde und dass BRP-Rotax in voller Übereinstimmung mit allen geltenden Gesetzen und Vorschriften gehandelt hat". In Russland und im Iran hat Rotax laut eigenen Angaben keine Vertriebspartner.

In internationalen Medien kursieren gleich mehrere Theorien, wie es zum Einsatz österreichischer Motoren in den russischen Drohnen kommen konnte, die für den STANDARD nicht nachprüfbar sind. Beispielsweise berichtete Radio Free Europe Ende vor Vorjahrs von einer iranischen Firma namens Mahtabal, die noch bis Ende 2020 als Rotax-Vertriebspartner aufgeschienen sei. Andere Medien spekulieren über eine Serie von Diebstählen von Motoren, die dem Einsatz als Kriegswaffe vorangegangen sein könnte. Das Indiz: Rotax selbst veröffentlicht auf seiner Website eine "Liste gestohlener Motoren". Demnach verschwanden seit dem Jahr 1996 hunderte Motoren von den Flughäfen zahlreicher Länder, von Deutschland über Brasilien bis Russland. DER STANDARD hätte gerne gewusst, ob man bei Rotax irgendeinen Zusammenhang zwischen diesen Diebstählen und dem späteren Einsatz der Motoren im Kriegsgebiet sehe. Doch die Sprecherin war für keine Nachfrage erreichbar.

Rechtlich betrachtet unterliegen die Motoren jedenfalls keinerlei besonderen Exportregeln, wie sie etwa für Kriegsgerät und sogenannte Dual-Use-Güter gelten, also Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium von Martin Kocher (ÖVP) heißt es auf STANDARD-Anfrage dennoch, dass man "hinsichtlich der problematischen Verwendung dieser Motoren sowohl mit dem Unternehmen als auch mit diversen Behörden und Institutionen in Kontakt" stehe. Im vergangenen Herbst haben mehrere Personen aus dem Umfeld der ukrainischen Regierung offizielle Stellen in Österreich zum Handeln aufgefordert. Die Regierung in Wien möge diese Causa "ermitteln", verlangte etwa der Regierungsberater Anton Gerashenko via Twitter. (Joseph Gepp, 26.10.2023)