Mitte September jährt sich der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini in der Haft der Sittenpolizei in Teheran zum ersten Mal, er hatte eine monatelange Protestwelle ausgelöst. Ebenfalls im September soll der Deal vonstattengehen, den die USA mit dem Iran dennoch soeben verhandeln: Der Iran soll fünf US-iranische Doppelstaatsbürger, darunter eine Frau, freilassen und dafür Zugriff auf sechs Milliarden US-Dollar (5,51 Milliarden Euro) bekommen, die aufgrund von US-Sanktionen in Südkorea eingefroren sind.

Ein Wandgemälde an der ehemaligen US-Botschaft in Teheran zeigt einen Iraner und einen US-Amerikaner am Verhandlungstisch. Der US-Verhandler trägt eine Ziviljacke, aber eine Militäruniformhose.
Auf einem Mural an der ehemaligen US-Botschaft in Teheran trägt der US-Verhandler Uniformhose. Was die Iraner nicht abhält, mit Washington zu verhandeln.
EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Erwartungsgemäß gibt es Kritik daran, dass die USA sich auf die iranische Praxis einlassen, mit meist wegen Spionage verhafteten und verurteilten Ausländern und Ausländerinnen Handel zu treiben. In den USA hat jedoch andererseits der Sohn von Shahab Dalili, einem US-Häftling im Iran, der nicht in den Austausch inkludiert ist, einen Hungerstreik begonnen. Mindestens ein weiterer US-Amerikaner sitzt in einem iranischen Gefängnis – wie etliche EU-Staatsangehörige auch.

Außenminister Antony Blinken pochte am Dienstag vor Medien in Washington darauf, dass sich die US-Position zum Iran nicht geändert habe: "Wir verfolgen weiter eine Strategie aus Abschreckung, Druck und Diplomatie." Blinken wollte auch nicht bestätigen, was das Wall Street Journal gemeldet hatte: dass der Iran bei der Urananreicherung bereits Abstriche macht, das heißt, zu Konzessionen bei seinem Atomprogramm bereit sei.

Keine Krise im Wahljahr

Dass ein neuer nuklearer Deal bevorsteht, bei dem Teheran zu den Regeln des – von US-Präsident Donald Trump zerstörten – Atomabkommens von 2015 zurückkehrt, erwartet niemand. Aber die US-Regierung bemüht sich derzeit ganz offensichtlich, die Probleme mit Teheran zumindest so einzudämmen, dass sie nicht im Präsidentschaftswahljahr 2024 akut werden.

Die USA haben an Teheran nicht nur Forderungen das Atomprogramm betreffend. Ein anderer Punkt sind die Angriffe iranischer Stellvertretergruppen auf US-militärische Einrichtungen im Nahen Osten, etwa im Irak, sowie Irans Politik, kommerzielle Schiffe im Persischen Golf mit der Anschuldigung zu beschlagnahmen, sie hätten iranische territoriale Gewässer verletzt. Die USA haben zuletzt ihre militärische Präsenz im Golf substanziell aufgestockt, mit der Entsendung von Schiffen, Flugzeugen – darunter eine F-35-Staffel – und mindestens 3000 Soldaten.

Außerdem versucht Washington, Teheran davon zu überzeugen, die Lieferung von Drohnen an Russland für den Krieg gegen die Ukraine zu stoppen. Aber da gibt es noch eine schlimmere Variante: Das nominelle Auslaufen eines Uno-Waffenembargos im Oktober könnte Teheran dazu ermutigen, Russland Raketen zu verkaufen. Auch die EU warnt Teheran davor, das zu tun.

Ob die USA im Rahmen des Deals mit dem Iran noch etwas anderes erreichen als die Freilassung von fünf Personen, wird sich erst im Nachhinein erweisen. Ort der Abwicklung soll Doha, die Hauptstadt von Katar, sein. Dorthin würden die US-Bürger, die vor einer Woche aus dem Gefängnis in Hausarrest überstellt wurden (beziehungsweise war das eine Person bereits), vor ihrer Übergabe an die USA gebracht. Laut Amwaj Media warten sie derzeit in einem Hotel in Teheran. Das Geld aus Südkorea soll in die Schweiz überwiesen werden, dort in Euro umgetauscht und ebenfalls nach Katar transferiert werden. Die Schweiz vertritt seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen die US-Interessen in Teheran.

Die USA betonen, dass bei dem Deal kein US-Geld an Teheran fließen würde: Bei den sechs Milliarden Dollar handelt es sich um iranische Erdöleinnahmen, und die Kosten für die Logistik würden von anderen Staaten getragen. Neben der Schweiz und Katar ist das Sultanat Oman involviert, das eine führende Rolle auch bei der Befreiung zweier Österreicher aus iranischer Haft im Juni spielte.

Was der Iran kaufen darf

Laut den USA dürfte der Iran mit dem freigegebenen Geld nur Lebensmittel kaufen und humanitäre Ausgaben bestreiten. Aus Äußerungen iranischer Offizieller ist zu schließen, dass Teheran das nicht so sieht. Im Iran wird den USA auch vorgerechnet, dass beim Deal eigentlich mehr herausspringen sollte, denn durch entgangene Zinsen und Kursverluste sei das Geld in Südkorea bei weitem nicht mehr so viel wert wie zu der Zeit, als es eingefroren wurde.

Die Befürchtung der Kritiker des Deals ist, dass das Geld unter anderem dazu dienen wird, schiitische Stellvertretergruppen in der Region zu finanzieren. Um das abzustellen, gehen die arabischen Staaten und alten US-Verbündeten jetzt jedoch eigene Wege: Am Donnerstag traf der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian zu einem Besuch in Saudi-Arabien ein. China hatte im Frühjahr die Wiederaufnahme der iranisch-saudischen diplomatischen Beziehungen nach einer langen Eiszeit vermittelt.

Im September findet bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien das Gouverneurstreffen statt, wie seit Jahren wird das iranische Atomprogramm ein wichtiges Thema sein. Es würde ins Schema passen, wenn der Iran zuvor seine Urananreicherung etwas herunterfährt, um einer Verurteilung zu entgehen. Allerdings ist der Bestand von angereichertem Uran im Iran inzwischen so hoch, dass das kaum noch einen Unterschied machen würde.

Auf diesem Wandgemälde auf dem Komplex der geschlossenen US-Botschaft in Teheran trägt der US-Vertreter bei den Verhandlungen mit dem Iraner eine Uniformhose zum Sakko eines Zivilisten. (Gudrun Harrer, 18.8.2023)