Familien radeln nebeneinander auf einer Straße durch das Lauteracher Ried.
Ried-Rad-Ritterspiele
Verkehrsfremder Zweck oder unzulässige Fahrweise? Darüber schieden sich die juristischen Geister.
Veronika Rüdisser

Lauterach – Am 5. September 2021 lud die Radlobby Vorarlberg zu den ersten Ried-Rad-Ritterspielen ins Naherholungsgebiet Lauteracher Ried. Zahlreiche Familien mit Kindern nutzten den spätsommerlichen Sonntag, um sich zusammen aufs Rad zu schwingen und die Natur im Ried zu genießen und gemeinsam Spaß am Rad zu haben. Denn normalerweise verunmöglicht der Autoverkehr eine solche stressfreie Nutzung des Naherholungsraumes. Seit Jahren fordern daher Anrainergemeinden, die Sonntage im Ried für autofrei zu erklären, damit die Bevölkerung am Wochenende hier gefahrlos die Freizeit verbringen kann. Seitens des Landes gab es bisher noch keinen Rückhalt für diese Forderung, aber wenigstens die Rad-Ritterspiele wurden genehmigt. Von 9 bis 16 Uhr war an diesem Sonntag 2021 kein Auto im Ried unterwegs, dafür hunderte Erholungssuchende.

Vom Erfolg der Auftaktveranstaltung beflügelt, suchte die Radlobby im Mai 2022 erneut bei der Vorarlberger Landesregierung um einen autofreien Sonntag an. Diesmal sollte die zweiten Ried-Rad-Ritterspiele am Sonntag, den 3. Juli 2022 stattfinden. Doch zur negativen Überraschung wurde dieser Antrag auf "Erteilung einer Bewilligung zur Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken gemäß § 82 Abs. 1 StVO 1960" abgelehnt. Und zwar deshalb, weil sich aus dem Antrag nicht ergebe, dass die Straße zu verkehrsfremden Zwecken genutzt werden sollte. Schließlich stelle das beantragte "nebeneinander Fahren" keinen verkehrsfremden Zweck dar, sondern vielmehr "eine unzulässige Fahrweise". Auch die beantragte Sperre von Zubringerstraßen wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Eigenartige Rechtsansicht

Die Radlobby berief gegen diese Ablehnung, was jedoch ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen wurde. Wogegen man erneut eine Beschwerde einlegte, die dann aber wiederum vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg im September 2022 mit einer abenteuerlichen Begründung zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin, also die Radlobby, habe an der Erledigung ihrer Beschwerden kein Rechtsschutzinteresse mehr, weil der Termin für die beantragte Veranstaltung bereits verstrichen sei. Sprich, ist jetzt auch schon egal, der Termin für die nicht bewilligten Ried-Rad-Ritterspiele, die am 3. Juli 2022 geplant gewesen wären, sei ja sowieso schon verstrichen. Wieder brachte die Radlobby eine fristgerechte Stellungnahme ein, um darzulegen, dass man sehr wohl weiterhin Interesse an einer Erklärung habe. Gerade in Hinblick auf künftig geplante Veranstaltungen wolle man schließlich Rechtsicherheit.

Seitens der Landesverwaltungsgerichtes blieb man aber dabei, dass das Vorgehen des Landes rechtens und der Termin ohnehin verstrichen sei. Also zog die Radlobby vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Und bekam prompt recht. Die Beschwerde der Radlobby sei zulässig und begründet, dem Landesverwaltungsgericht sei hingegen "ein Fehler unterlaufen", so der VfGH. Und weiter: "Durch die Zurückweisung bzw. Gegenstandsloserklärung der Beschwerde und Einstellung des Verfahrens hat das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert und damit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt."

Politischer Unwille wird vermutet

Soweit die juristische Komponente. Die Radlobby hat die Ried-Rad-Ritterspiele 2022 und 2023 dennoch durchgeführt. Und zwar in deutlich kleinerem Umfang und andernorts, mit Unterstützung durch jeweils eine Gemeinde. Trotzdem will man 2024 wieder versuchen, eine Sperre für den Autoverkehr im Lauteracher Ried zu erwirken, um die Veranstaltung wie schon 2021 dort durchzuführen. Denn damit würde auch aufgezeigt, wie lebenswert dieses Naherholungsgebiet im Ried sein könnte, bliebe der motorisierte Verkehr draußen.

Doch man vermutet hinter dem bürokratischen Widerstand vielmehr politischen Unwillen, erklärt eine der Mitinitiatorinnen der Ried-Rad-Ritterspiele, Veronika Rüdisser. Es entspreche nämlich der politischen Linie der Verkehrsabteilung des Landes Vorarlberg, eine regelmäßige Riedsperre für Radveranstaltungen zu verhindern. Eine Nachfrage des STANDARD Tretlagers beim zuständigen Verkehrslandesrat Marco Tittler (ÖVP) verlief leider unbeantwortet. Ebenso blieb eine zugesagte Erklärung des "sehr komplexen Sachverhaltes" durch die zuständige Fachabteilung aus. Nur so viel war zu erfahren: es habe sich insgesamt um einen Fehler gehandelt, schon die ersten Ried-Rad-Ritterspiele seien nie genehmigt worden. Das wiederum sorgt bei Rüdisser von der Radlobby für einigermaßen Verwunderung: "Handelten die Polizisten, die 2021 für die Straßensperren sorgten, ohne die entsprechende Genehmigung?"

Neuer Versuch im Jahr 2024

Die Radlobby wird in der Angelegenheit vom Wiener Juristen und Fahrradrechts-Experten Johannes Pepelnig betreut. Auch der Fachmann wundert sich über die "bizarre Rechtsansicht" der Vorarlberger Behörde, die eine Sache für erledigt und keiner Auskunft mehr nötig ansieht, weil der Termin an dem sie geplant war, verstrichen ist. Die Radlobby selbst will weiter an der Veranstaltung festhalten und versuchen, sie in Zukunft wieder wie 2021 im Lauteracher Ried abzuhalten, inklusive Straßensperren. (Steffen Kanduth, 19.8.2023)