Dan Reynolds von Imagine Dragons. Schablonenrock als Höhepunkt des zweiten Tages bei Freqency im St. Pölten.
Dan Reynolds von Imagine Dragons. Schablonenrock als Höhepunkt des zweiten Tages bei Freqency im St. Pölten.
APA/Florian Wieser

Auf der Green Stage läuft gerade Ballaballa. Es ist später Nachmittag am zweiten Tag des Frequency Festivals in St. Pölten und der Freitag empfängt einen wie der Donnerstag: Großraumdisco-Wumme. Weil der Act allein eventuell nicht genug ballaballert, ballaballert gegenüber der Bühne zusätzlich der Musikbeauftragte eines Wodkaherstellers, der dort eine stationäre "Block Party" anbietet. In der Schnittmenge ergibt das eine Kakophonie, die man sich weder schön trinken kann noch möchte.

Der Act auf der Green Stage heißt Harris & Ford, einer ihrer "Hits" Irrenhaus, ein anderer gedankenschwer God Save the Rave. "Totalabriss ist H&F vorprogrammiert", heißt es dazu in Ballaballa-Deutsch im Programm. Eine Auslassung über das Wort "vorprogrammiert" ginge natürlich jederzeit, aber geschenkt. Kreativer Höhepunkt des Sets der beiden ist ein Sample von Coolios Gangsta’s Paradise, der dafür Stevie Wonders Pastime Paradise verwendet hat, aber tief will trotz gebotener Tiefe niemand schürfen. Egal.

Heiße Luft

Währenddessen geht am Camping Platz der neue SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler mit dem Landesparteivorsitzenden Sven Hergovich auf Tuchfühlung mit der Jugend, ein kleiner Empfang mit der roten Hoffnung ist später im Pressebereich vorgesehen – wenn er es durch die Massen schafft. 50.000 sind es.

Die sind heuer weniger stark kostümiert als früher, ganz wird auf Fasching aber nicht verzichtet. Einer trägt Sex-positiv ein Textilgemächt von eher wirklichkeitsferner Dimension im Lendenbereich vor sich her, sein Zustand lässt aber vermuten, dass die Vollzugsfähigkeiten längst im für den Sex negativen Bereich liegt. Prost.

SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler und Landesparteivorsitzender Sven Hergovich mit herkunftsloyalem Erfrischungsgetränk am Campingplatz des Frequency.
SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler und Landesparteivorsitzender Sven Hergovich mit herkunftsloyalem Erfrischungsgetränk am Campingplatz des Frequency.
APA/FLORIAN WIESER

Wieder auf der Green Stage. Mathea tritt auf. Pyrotechnik erzeugt heiße Luft, genau das, was der Planet braucht. Die ehemalige Schuhverkäuferin aus Salzburg machte über den Umweg der Castingshow The Voice of Germany Karriere. Sie ist eine Vertreterin jener Generation Pop, die der deutsche Satiriker Jan Böhmermann mit seinem Lied Menschen Leben Tanzen Welt durch den Kakao thematisiert hat, in dem er die austauschbare Inhaltsleere deutscher Popmusik bloßstellte.

Tatsächlich wirkt wie Mathea wie eine Influencerin, die ausdrucksstark Verkaufsargumente vorsingt. Die Band besitzt das Charisma einer Wandfliese. Mathea arbeitet sich durch Gefühlsschablonen und Schablonengesten. Getanzte Floskeln und artiges Bedanken. Viel Text ohne Hooklines oder Bedeutung. Dagegen wirkt Britney Spears wie Literatur.

Elton-John-Breitseite

Aber derlei Schablonenmusik ist nicht Mathea allein vorbehalten, der Headliner des Tages, Imagine Dragons, macht damit immerhin Weltkarriere. Die US-Band ist so etwas wie die Band Nickelback der Generation Z. Aber selbst jemand wie der Brite Tom Odell wärmt nur auf, baut brav nach. Der singende Pianist und seine Band spielen eingängige Indie-Musik mit Elton-John-Breitseite, wie man sie dutzende Mal von hunderten Bands gehört hat, deren Namen alle auf der Müllhalde des Gedächtnisses entsorgt liegen. Das Publikum reagiert verhalten zusprechend oder ist mit sich selbst beschäftigt.

Irgendeine Ablenkung ist immer. Handy, Hunger, Durst. Was oben rein fließt, muss unten wieder raus. In Serpentinen gehts zum Dixie-Klo. Anstellen, Luft anhalten, Platz schaffen. Dann weiter. Der Weg ist das Ziel. (Karl Fluch, 19.8.2023)