Karl Nehammer (ÖVP) bei der Pressekonferenz in Salzburg.
Karl Nehammer (ÖVP) bei der Pressekonferenz in Salzburg.
IMAGO/Rudi Gigler

Bukarest – Das Festhalten Österreichs am Veto gegen die Erweiterung des Schengenraums sorgt erneut für Kritik aus Rumänien. "Kanzler (Karl) Nehammer verwendet im Streit um Migration die Zahlen völlig falsch und behandelt Rumänien weiter unfair", kritisierte der liberale rumänische EU-Parlamentarier Nicolae Ștefănuță im "Kurier" Äußerungen des Bundeskanzlers diese Woche in Salzburg. Die ÖVP und das von ihr geführte Innenministerium wiesen die Kritik zurück.

Nehammer hatte bei einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz am Freitag einmal mehr auf der Blockade des Beitritts Rumänien und Bulgariens zum weitgehend grenzkontrollfreien Raums beharrt. Wie bereits in der Vergangenheit begründete er dies mit der hohen Zahl an in Österreich aufgegriffenen Migranten, die zuvor in keinem anderen EU-Land registriert worden seien.

Der EU-Parlamentarier der europäischen Grünen-Fraktion kritisiert diese Darstellung: "80 Prozent dieser nicht registrierten Migranten sind durch Serbien und Ungarn gekommen, nicht durch Rumänien." Österreich gebe also weiterhin Rumänien die Schuld an der nicht funktionierenden Kontrolle der Zuwanderung, "und das ist unfair", so Ștefănuță.

Der EU-Abgeordnete befürchtet, dass Österreich seine Blockadehaltung bis 2025 aufrechterhalten wird, auch wegen der Nationalratswahlen im kommenden Jahr wolle die Regierung "mit nationalistischer Politik punkten". Der Grüne Politiker plädierte dafür, auf EU-Ebene härter auf Österreichs Verhalten zu reagieren: "Es gibt keinen Grund, warum Rumänien weiter den netten EU-Partner geben soll, wenn es so behandelt wird", sagte Ștefănuță.

ÖVP hält dagegen

Die ÖVP wies die Kritik am Sonntag zurück. "Wir lassen uns auch von Zwischenrufen aus Rumänien nicht beirren", sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung und betonte einmal mehr das Festhalten am Schengen-Veto solange das bestehende System nicht funktioniere. "Ein wesentlicher Teil der Schlepperkriminalität innerhalb der EU findet über die Route von Serbien über Rumänien nach Ungarn statt. Außerdem liegt Rumänien bei den festgenommenen Schleppern auf Platz drei hinter Syrien und der Türkei", argumentierte Stocker.

Das Innenministerium wies die Vorwürfe ebenfalls zurück. Insbesondere das Dreiländereck Serbien-Rumänien-Ungarn werde von Migranten bzw. Schleppern genutzt, hieß es in einer Stellungnahme. Schlepperrouten würden sowohl über Bulgarien als auch über Rumänien verlaufen. Rumänien sei aber in vielen Fällen auch Ausgangspunkt für brutale und lebensgefährliche Schleppungen. Zwischen Jänner und Juni 2023 seien rund 2.000 Menschen aus Pakistan und Bangladesch in Österreich aufgegriffen worden, die mit Arbeitsvisa nach Rumänien gelangt seien.

In Bezug auf die verwendeten Zahlen verwies das Innenministerium auf eigene Analysen auf Basis von Eurodac-Daten und anonymisierte Auszüge von Ersteinvernahmen von Asylwerbern. Auch Stichproben zu den Angaben der Reiseroute, Daten aus Schlepperbefragungen und Handydaten der Schlepper sowie Daten bzw. Einschätzungen anderer Ministerien und von Verbindungsbeamten sowie Analysen der EU würden berücksichtigt, hieß es weiter. (APA, red, 20.8.2023)