Vereinbaren zwei Firmen den Verkauf einer Immobilie, können sie alle möglichen Dinge in den Vertrag schreiben. Das Raiffeisen-Lagerhaus und eine Projektentwicklungsfirma haben von dieser Möglichkeit in Korneuburg in Niederösterreich Gebrauch gemacht: Das Lagerhaus wollte seine Bezirkszentrale samt Autowerkstatt im Gewerbegebiet verkaufen, um den Bau eines neuen Standorts zu finanzieren. Das Unternehmen der österreichischen Milliardärsfamilie Breiteneder wollte den Grund erwerben, um dort Wohnungen zu bauen. 13 Millionen Euro war der Entwicklungsfirma die Immobilie wert. So weit, so normal.

Aber die kaufende Firma stellte eine Bedingung: Der Grund müsse umgewidmet werden, damit das geplante Wohnprojekt dort auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Der Kaufpreis war deshalb auch entsprechend höher als für das Gewerbegebiet üblich. Würde die Umwidmung nicht bis zu einem bestimmten Stichtag erfolgen, so wäre der Vertrag gegenstandslos, die Immobilie würde bei ihrer bisherigen Eigentümerin, das Geld bei den Breiteneders bleiben.

Blühendes Rapsfeld vor einem Lagerhaus
Lagerhaus-Türme gehören zum Land wie etwa auch Rapsfelder. Die Korneuburger Lagerhaus-Zentrale (nicht im Bild) wurde nun gewinnbringend verkauft.
Foto: imago/CHROMORANGE

ÖVP-Mehrheit änderte Flächenwidmungsplan

Das ist bemerkenswert – denn weder die Verkäuferin noch die Käuferin können eine Änderung der Flächenwidmung beschließen. Dieses Amtsgeschäft obliegt allein der Stadt Korneuburg, die darüber im allgemeinen Interesse zu entscheiden hat.

Entschieden hat die Stadt jedenfalls: und zwar im Sinne des Lagerhauses und der reichen Familie. Die ÖVP beschloss die Änderung des Flächenwidmungsplans mit ihrer absoluten Mehrheit. Die Oppositionsparteien hatten zuvor versucht, den Beschluss durch das Verlassen des Saales zu verhindern – letztlich erfolglos, denn die ÖVP beraumte kurzfristig eine neue Sitzung an. Die Umwidmung erfolgte fristgerecht, der Kauf wurde abgewickelt, das Lagerhaus ist in den Nachbarort Tresdorf übersiedelt.

SPÖ sieht glatten Rechtsbruch

Das Geschäft sorgte für gehörigen Wirbel in der Korneuburger Stadtpolitik. Denn die SPÖ wirft der ÖVP nun einen glatten Rechtsbruch vor: Sie sieht eine "illegale Anlasswidmung", also "eine Widmung, bei der nur die Einzelinteressen einer Firma berücksichtigt werden und nicht die städtebaulichen Interessen", sagt die rote Gemeinderätin Bernadette Haider-Wittmann zum STANDARD.

Aus ihrer Sicht diente die Umwidmung einzig und allein dem Lagerhaus, das sich damit sein einstiges Gewerbegrundstück in teures Wohngebiet vergolden ließ.

Ein Jahr davor war alles anders

Dabei sei der Widmungsplan erst ein Jahr zuvor geändert und das Gewerbegebiet an dem Standort festgeschrieben geworden. "Wie können sich diese städteplanerischen Überlegungen von einem Jahr aufs andere ändern?", fragt sich Haider-Wittmann – rhetorisch, denn für sie ist "die Antwort klar, wenn man sich den Kaufvertrag anschaut. Die ÖVP wollte dem Raiffaisen-Lagerhaus und einer reichen Familie einen Gefallen tun."

Der Fall liegt nun bei der Volksanwaltschaft, die Verwaltungsvorgänge in der Republik überprüft. SPÖ und FPÖ haben dort Meldung über die Vorgänge in Korneuburg erstattet. Eine Sprecherin von Volksanwältin Gabriela Schwarz (ÖVP) bestätigt auf STANDARD-Anfrage, dass ein Verfahren eröffnet und die Stadt zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Das heiße allerdings lediglich, dass Schwarz für den Fall fachlich zuständig ist – und sage noch nichts darüber aus, ob tatsächlich Fehlverhalten vorliegt.

Bürgermeister spricht von Vorteilen für Korneuburg

Der Korneuburger Bürgermeister Christian Gepp (ÖVP) bestreitet auf STANDARD-Anfrage, andere Motive als das Wohl der Stadt im Blick gehabt zu haben. Das Ziel der Stadtregierung sei gewesen, "eine schrittweise Umnutzung und Umstrukturierung des Areals zu einem Gebiet mit hochwertigen Mischstrukturen durchzuführen". Weil das Lagerhaus den Betrieb auflassen wollte, "ergab sich nunmehr die Möglichkeit, diese Flächen für eine potenzielle Umstrukturierung und Umnutzung konkret vorzusehen und damit eine klare Trennung zwischen Wohnnutzung und Betriebsgebiet zu schaffen". Der nunmehr ehemalige Lagerhaus-Grund grenzt auf der einen Seite ans Wohngebiet, auf der anderen Seite an Industrieanlagen.

Auch Korneuburgs Lagerhaus-Chef Leopold Scheibböck sieht in der Umwidmung einen "Lückenschluss, der im Interesse der Stadtgemeinde und der Anrainer liegt". Das sagte er zu den "Niederösterreichischen Nachrichten", die zuerst über die Angelegenheit berichteten.

Übrigens gibt es noch einen weiteren Passus im Kaufvertrag, der die SPÖ besonders ärgert: Das Lagerhaus durfte vor der Abwicklung des Verkaufs keine Vereinbarung mit der Stadtgemeinde treffen, die günstige Mieten in den zu errichtenden Bauten vorgeschrieben hätte. (Sebastian Fellner, 21.8.2023)