Roboter steht vor einem Laptop, daneben sitzt eine Frau an ihrem Schreibtisch
KI als Arbeitskollege? Was wie Zukunftsmusik klingt, ist in manchen Firmen bereits Realität.
DER STANDARD/Midjourney

"Ich nutze ChatGPT beinahe täglich für meine Arbeit“, erzählt Emilia. Die 36-Jährige arbeitet im Kommunikationsbereich, verfasst Pressetexte, Social-Media-Postings oder öffentliche Reden. "Meine Tätigkeit besteht aus einer Reihe von textbasierten Aufgaben. Der KI-Chatbot ist für mich daher der ideale Helfer im Arbeitsalltag", sagt die junge Frau.

Und damit ist sie nicht allein. Immer mehr Menschen nutzen künstliche Intelligenz (KI) im Job. Einer Umfrage des IT-Sicherheitsunternehmens Cyberhaven zufolge haben im Juni bereits 10,8 Prozent aller Angestellten weltweit ChatGPT mindestens einmal an ihrem Arbeitsplatz eingesetzt – im Februar waren es noch rund 5,5 Prozent.

Kein Ersatz

Vor etwa einem halben Jahr legte sich Emilia, die eigentlich anders heißt, einen Account für das OpenAI-Tool zu. Ihr Interesse wurde durch die mediale Berichterstattung geweckt, sagt sie. Nun füttere sie das Tool regelmäßig mit Inhalten und dazu passenden Arbeitsaufträgen: "Eine dreiseitige Hintergrundinformation zu einem Event in eine fünfminütige Eröffnungsrede umzuschreiben dauert jetzt zehn Minuten, keine Dreiviertelstunde mehr", erzählt sie. Besonders überrascht habe die 36-Jährige, dass das KI-Tool Texte oft "menschlicher" schreibe als ihre fachkundigen Kolleginnen und Kollegen.

Den Einsatz der künstlichen Intelligenz hänge sie zwar nicht "an die große Glocke", aber sie mache daraus auch kein Geheimnis. An ihrem Arbeitsplätz hätte man sie deswegen schon gewarnt: "Manche meinen, ich würde mich damit selbst wegrationalisieren", erzählt sie. Andere Teammitglieder und Führungskräfte seien wiederum sehr interessiert und fragen nach Tipps. Angst vor einem Jobverlust habe sie nicht: "Mein Beruf umfasst genug Aufgaben, die eine Maschine nicht übernehmen kann." Viel eher erlaube ihr das Tool unliebsame und repetitive Aufgaben zu verkürzen und mehr Zeit für strategische Arbeit und den zwischenmenschlichen Austausch aufzuwenden.

Zu diesem Schluss kam vor kurzem auch eine Analyse der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Der Einsatz von generativer KI wie ChatGPT werde in erster Linie "wahrscheinlich nicht" zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, sondern eher zu Veränderungen der Qualität von Jobs – insbesondere mit Blick auf Arbeitsintensität und Autonomie. KI werde es demnach "eher erlauben, Tätigkeiten zu ergänzen als sie zu ersetzen". Wenig überraschend dürften der ILO-Studie zufolge Bürotätigkeiten – mit etwa einem Viertel der Aufgaben – vom Einsatz künstlicher Intelligenz am stärksten profitieren.

Verbot möglich

Doch nicht überall, wo die KI in Verwendung ist, wissen Vorgesetzte auch davon. "ChatGPT ist zwar eine große Erleichterung im Arbeitsalltag, allerdings nutze ich das Tool ohne das Wissen meiner Chefin", erzählt die 38-jährige Sara (Name geändert). Die Sozialarbeiterin nutzt die KI vor allem als Unterstützung beim Schreiben von Berichten. "Ich muss mir Formulierungen dann nicht mehr komplett selbst ausdenken, sondern kann mit dem arbeiten, was das Tool liefert", sagt sie. Sensible Daten teile die 38-Jährige aber keinesfalls. Dennoch befürchte sie, dass der Einsatz der KI von ihrer Führungskraft verurteilt oder gar verboten werden könnte.

Aber können Unternehmen die Verwendung von KI-Tools überhaupt untersagen? Ja, sagt Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak. Prominente Beispiele für Verbote oder stark eingeschränkte Nutzung in Firmen sind Apple, Amazon und Samsung. Als Begründung werden vor allem Bedenken wegen des Datenschutzes genannt. Ganz unbegründet scheint diese Sorge nicht, laut Cyberhaven-Umfrage haben bereits 8,6 Prozent Firmendaten mit ChatGPT geteilt – 4,7 Prozent sogar hochsensible Daten. Hinzu kommen mögliche Urheberrechtsverletzungen: "Man weiß nie genau, wo die Inhalte herkommen und ob diese urheberrechtlich geschützt sind", erklärt Körber-Risak. Im Fall eines Plagiats würde der Arbeitgeber haften.

Rechtliche Grauzone

KI sei in Österreich bislang eine rechtliche Grauzone. Unzulässig sei die Verwendung am Arbeitsplatz aber grundsätzlich nicht: "Wir nutzen ja auch andere Programme und technische Hilfsmittel, um unseren Job zu machen", sagt die Expertin. Beschäftigten, die KI im Job nutzen wollen oder es bereits tun, rät sie, das Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen. Im besten Fall sollten Firmen jedoch selbst aktiv werden und Leitfäden ausarbeiten. Regelungen zum Einsatz von KI sind bereits an Hochschulen verbreitet und könnten als Vorlage dienen.

Wer die Verwendung nicht nur verschweige, sondern lüge, bringe sich in Schwierigkeiten: "Das könnte zu einer Vertrauensunwürdigkeit führen, die ein Entlassungsgrund sein kann", erklärt Körber-Risak. Hinzukommen können Folgeprobleme, wenn von der KI generierte Texte, die falsche Informationen enthalten, genutzt werden. Auch Emilia habe schnell gemerkt, dass das Tool nicht alles kann: "Für Recherchen ist ChatGPT ungeeignet. Das Tool erfindet sehr glaubhafte Fakten, wenn es diese nicht zur Hand hat." Aufgaben komplett an eine KI auszulagern und Inhalte ungeprüft zu übernehmen kann somit nicht nur wegen der persönlichen Arbeitspflicht zum Problem werden. (Anika Dang, 1.9.2023)