Zwei F-16 bei einer NATO-Übung
Die F-16 (hier von den polnischen Streitkräften) ist der meistgenutzte Kampfjet der Welt.
AFP/JOHN THYS

Sucht man nach einem Produkt, mit dem sich die Bedeutung der F-16 in der westlichen Welt vergleichen lässt, drängt sich ein Volkswagen-Golf auf. Der VW gilt als solide, praktisch und tut genau das, was er soll, nicht mehr, nicht weniger. Er kommt dabei nicht als Supersportwagen mit unglaublicher Beschleunigung daher und ist auch nicht besonders luxuriös ausgestattet. Genau so ist es mit der F-16 auch: Jahrelang erprobt, grundsolide, sie erledigt ihre Aufgaben, und sie ist vor allem ein Massenprodukt. Mit exakt 4.604 produzierten Exemplaren sind 15 Prozent aller aktiven Kampfjets auf dem Planeten vom Typ F-16.

Die "Fighter Mafia"

Einen Fehler darf man aber nicht machen: anzunehmen, die F-16 sei jung. Die Ursprünge gehen auf den Vietnamkrieg zurück. Dort mussten die USA lernen, dass sie die Entwicklung von Luftkämpfen falsch eingeschätzt hatten. Mit damals neuer Raketentechnologie und immer genauer arbeitenden Radarsystemen gingen die US-Militärs davon aus, dass Luftkämpfe auf viele Kilometer Entfernung außerhalb des Sichtbereichs der Pilotinnen und Piloten stattfinden würden. Doch über Südostasien erwies sich genau das Gegenteil als der Fall: Luftkämpfe, oder Dog-Fights, wurden immer noch im relativen Nahbereich entschieden. Wer seinen Gegner ausmanövrieren konnte, war im Vorteil. Also begann die sogenannte "Fighter Mafia", eine Gruppe von Zivilisten und Offizieren der US-Air Force, die Denke der damaligen Zeit zu unterwandern. Mathematische Gleichungen wurden entwickelt, um das Verhalten von Kampfjets zu beschreiben.

Dieser Truppe gelang es letztendlich auch dank ihres Einflusses in politischen Sphären, ihre Idee von einem kleinen, leichten, billigen, auf Massenproduktion getrimmten Flugzeug mit guten Flugeigenschaften den Lamettaträgern der Airforce schmackhaft zu machen. Damals sah man noch in der deutlichen komplizierteren und teureren, dafür schnelleren F-15 die Zukunft. Letztendlich entschied man sich für einen Mix: die F-15 als schnelles, hoch fliegendes Qualitätsprodukt, die F-16 als wendiger und günstiger Abfangjäger.

Wobei man mit der Zuschreibung "billig" in der militärischen Luftfahrt äußerst vorsichtig umgehen sollte. Der aktuelle Preis der modernsten Variante der F-16 beläuft sich auf rund 63 Millionen US-Dollar, was in etwa der Hälfte eines Eurofighters entspricht. Der Nachfolger der F-16, die F-35, kostet mindestens 177 Millionen Dollar pro Stück.

Beinahe-Crash beim Jungfernflug

Vor 50 Jahren war es schließlich so weit, und am 13. Dezember 1973 hob die erste F-16 zu ihrem Jungfernflug ab, nur, um schon beim Start mit Teilen des Leitwerks eines backbord (links) montierten Flugkörpers den Boden zu streifen, woraufhin das ganze Flugzeug von der Landebahn abdrehte. Dem Testpiloten blieb nichts anderes übrig, als die Maschine irgendwie in die Luft zu bekommen, um einen potenziell tödlichen Unfall zu vermeiden.

Video: Kurz erklärt: Das US-Kampfflugzeug F-16.
AFP

Das Manöver gelang, die damals noch YF-16 genannte Maschine hob ab und blieb trotz des Schadens sechs Minuten lang in der Luft und konnte sicher gelandet werden. Ein Jahr später waren die Testpiloten von der F-16 begeistert: Sie erwies sich als deutlich wendiger als etwa die F-15, und sie sprachen sich einstimmig für das kleine, einsitzige Flugzeug aus. Als dann auch noch einige Nato-Staaten sich vom umstrittenen F-104 Starfighter trennen wollten, weil dieser im Ruf stand, ein "Witwenmacher" zu sein, gab es grünes Licht für die F-16.

"Viper" wie in "Kampfstern Galactica"

Der Rest ist Geschichte: Heute ist die F-16 der meistverbreitete Kampfjet der Welt, und ihre Rolle hat sich stark verändert. Ursprünglich war sie als wendiger Abfangjäger gedacht, doch das Design erlaubte auch den Einsatz in der Rolle als Bodenunterstützungsflugzeug oder als Bomber. Offiziell heißt die F-16 laut Hersteller "Fighting Falcon", die Pilotinnen und Piloten nannten ihr Arbeitsgerät aber inoffiziell "Viper" – nach dem Raumjäger in der Serie "Kampfstern Galactica". In ihrer 45-jährigen Dienstgeschichte wurden insgesamt zehn unterschiedliche Varianten der F-16 gebaut und laufend modernisiert. Die aktuelle Variante ist die F-16V, die erstmals offiziell den namen "Viper" trägt.

Eine F-16V der US Air Force.
EPA/Luis Eduardo Noriega A.

Fliegendes Arsenal

Ausgestattet ist die F-16/Fighting Falcon/Viper mit insgesamt elf Hardpoints, also Waffenaufhängungen unter oder an den Seiten der Tragflächen. Auf Bildern der F-16 sieht man sie kaum ohne die charakteristischen Raketen an den Seiten der Tragflächen. Das hat weniger einen militärischen Grund, sondern einen ganz praktischen: Wie sich im Lauf der Zeit herausstellte, sorgen die Flugkörper auf den Flügelspitzen für mehr Stabilität im Flug. Meist handelt es sich dabei um Kurzstrecken-Luft-Luft-Raketen vom Typ Sidewinder (AIM-9) oder Mittelstreckenraketen vom Typ Sparrow (AIM-7).

Modernere Varianten können auch mit neueren AIM-120 AMRAAM, einer Luft-Luft-Mittelstreckenrakete ausgestattet werden. An den Außenlaststationen kann die F-16 ungelenkte Raketen, Luft-Boden-Flugkörper, Luft-Luft-Raketen, Lenkbomben oder Zusatzbehälter mit Aufklärungs- oder Stör-Equipment aufnehmen. Sogar die Montage einer zusätzlichen Maschinenkanone ist möglich. Fest installiert ist an der F-16 lediglich die Bordkanone am linken Tragflächenansatz, eine M61A1-20-mm-Vulcan-Gatlingkanone.

Instabiler Flug, goldenes Cockpit

Die F-16 kann Geschwindigkeiten über Mach 2, also rund 2.470 km/h, erreichen und wurde als erstes Flugzeug für 9G-Manöver gebaut. Bei einem solchen Manöver wirkt das Neunfache der Erdanziehungskraft auf Pilot und Maschine. Die F-16 ist darüber hinaus so gebaut, dass sie aerodynamisch instabil ist. Das mag auf den ersten Blick absurd klingen, aber, vereinfacht gesagt, wird das Flugzeug dadurch manövrierfähiger, weil der Pilot oder die Pilotin nicht zuerst die eigene Stabilität des Fliegers überwinden muss. Dennoch bleibt die F-16 in der Luft, ein elektronisches System gleicht die Instabilität laufend aus.

Cockpit einer F-16 mit leicht goldenem Schimmer
Das Cockpit der F-16 ist mit einer dünnen Goldschicht überzogen.
APA/AFP/AXEL HEIMKEN

Das charakteristischste Merkmal der F-16 ist das blasenförmig Cockpit, das von Pilotinnen und Piloten wegen seiner hervorragenden Rundumsicht geschätzt wird. Hier kommt auch das einzige Element ins Spiel, das ein wenig "Bling" in die sonst so nüchterne F-16 bringt: Das Cockpit ist mit einer dünnen Goldschicht überzogen. Das dient aber weniger dazu, feindliche Piloten zu beeindrucken, sondern hilft die Radarsignatur zu reduzieren. Durch die charakteristische Form des Cockpits wurde in frühen Versionen ein starker Radarquerschnitt erzeugt, was es feindlichen Aufklärungskräften möglich machte, eine F-16 eindeutig auf dem Radar zu identifizieren.

Bislang ungeschlagen

Mit dem Einsatz in der Ukraine stellt sich natürlich die Frage nach der Überlegenheit der F-16 gegenüber den russischen Widerparts. Ein Blick in die Einsatzhistorie belegt, dass die F-16 bislang aus jeder Begegnung mit russischen Kampfjets als Sieger hervorging. Dazu muss aber bemerkt werden, dass sich die meisten Luftkämpfe gegen alte Abfangjäger vom Typ MiG-21 und MiG-23 zutrugen. Aber auch modernere Flugzeugtypen wie die MiG-29 oder die Su-30 wurden von F-16 abgeschossen. Einzig der modernste russische Kampfjet, die Su-35, ist der F-16 zumindest auf dem Papier überlegen.

Zum Alteisen gehört die F-16 deshalb aber noch lange nicht. Der aktuelle Hersteller, Lockheed Martin, gibt die potenzielle Lebensdauer bis zum Jahr 2070 an. Die USA haben bereits begonnen ,ihre F-16 stückweise durch die F-35 zu ersetzen, aber durch diverse Rückschläge und Pannen in der Entwicklung des Hightech-Nachfolgers dürfte die F-16 wohl noch bis Mitte des 21. Jahrhunderts im Dienst bleiben. Auch wenn die F-16 ihren 100. Geburtstag wahrscheinlich nicht erreichen wird, der 70er scheint in Reichweite zu sein. (Peter Zellinger, 22.8.2023)