Daniel Harding dirigiert die Wiener Philharmoniker.
Daniel Harding dirigiert die Wiener Philharmoniker.
Marco Borrelli

György Ligetis Atmosphères kann man nicht hören, ohne an den wild gewordenen Computer HAL im Filmklassiker Odyssee im Weltraum zu denken. Dazu noch der triumphalistische Anfang von Richard Strauss’ Also sprach Zarathustra beim Blick Richtung Sonne ... Trotzdem war das letzte Konzert der Wiener Philharmoniker bei den diesjährigen Salzburger Festspielen kein Filmmusik-Event zu Stanley Kubrick, sondern ein dramaturgisch spannender Blick auf Musik "zwischen" den Zeiten.

Richard Strauss hat seine Metamorphosen.Studie für 23 Solostreicher wenige Woche vor Ende des Zweiten Weltkriegs fertig geschrieben. Im Hintergrund: der Untergang des Unrecht-Regimes, in dem Strauss eine hinterfragenswürdige Rolle spielte, die Zerstörung der Dresdner Semper- und der Wiener Staatsoper ... In Memoriam steht in der Partitur, deren Anlage erstaunlich radikal ist. Die Stimmen folgen keinen gängigen formalen oder harmonischen Schemata. Mit etwas gutem Willen kann man die Metamorphosen als frühe Klangfläche sehen.

"Weit weg"

Jedenfalls, wenn sie so gespielt werden: 23 Mitglieder der "Wiener" unter der Leitung von Daniel Harding haben das dunkel grundierte Wogen und Weben mit streicherischer Delikatesse und vollkommen geradlinig in den Raum gestellt. Ein Kontrast zu Atmosphères für Großes Orchester, woGyörgy Ligeti 16 Jahre später Tonsatz, Harmonielehre und Co tatsächlich "dekonstruiert" und in reinem Klang aufgelöst hat.

Sein Lontano für großes Orchester aus 1967 scheint tatsächlich "weit weg" zu entstehen: Anfangs kaum hörbar, finden Flöte und Cello zusammen, weitere Instrumente und Klangfarben kommen dazu, ein schillerndes Klanggewebe entsteht: Subtil in der Lautstärke, opulent in den Orchesterfarben spielten die Philharmoniker dieses Meisterwerk der klassischen Moderne. Das war die Askese.

Für die Opulenz stand Also sprach Zarathustra. Richtig berühmt ist ja nur der monumentale Beginn (der es in Kubricks Film geschafft hat). Dass es, neben ein paar weiteren Anwandlungen von Triumphalismus, auch Klarinetten in seligem Miteinander, Geigenrauschen, Bläserandacht und überirdische Erlösung gibt, daran erinnerte die so opulente wie fein differenzierte Wiedergabe der Wiener Philharmoniker zur Freude aller. (Heidemarie Klabacher, 21.8.2023)