Schwarze Damenfigur liegt auf dem Schachbrett
Sicht des Weltverbands: "Im Falle einer Geschlechtsumwandlung von einem Mann zu einer Frau ist die Spielerin nicht berechtigt, an offiziellen Fide-Veranstaltungen für Frauen teilzunehmen, bis eine weitere Entscheidung der Fide getroffen wird."
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Erst vor wenigen Tagen hat der Schachweltverband neue Regeln veröffentlicht, schon am Montag (21. August) sollten sie in Kraft treten. Die Fide (Fédération Internationale des Échecs) hat Transfrauen demnach die Teilnahme an seinen Frauenturnieren verboten. Allein eine "Einzelfallanalyse" der Geschlechtsangleichung und ein damit einher gehender Beschluss des Fide-Rats könnte zu einer Ausnahmegenehmigung führen, doch bis ein solcher Beschluss getroffen wird, heißt es, könnten bis zu zwei Jahre vergehen.

Die Sichtweise des Weltverbands: "Die Änderung des Geschlechts ist eine Änderung, die erhebliche Auswirkungen auf den Status eines Spielers und seine künftige Teilnahmeberechtigung an Turnieren hat, daher kann sie nur vorgenommen werden, wenn ein entsprechender Nachweis der Änderung erbracht wird." Und: "Im Falle einer Geschlechtsumwandlung von einem Mann zu einer Frau ist die Spielerin nicht berechtigt, an offiziellen Fide-Veranstaltungen für Frauen teilzunehmen, bis eine weitere Entscheidung der Fide getroffen wird."

Damit orientiert sich die Fide jedenfalls an großen olympischen Sportweltverbänden wie jenen im Schwimmen, in der Leichtathletik und im Radsport. Diese hatten Transgendersportlerinnen kürzlich de facto den Weg zu Großevents versperrt und festgehalten, es sei ausschlaggebend, ob eine Sportlerin eine männliche oder weibliche Pubertät durchlaufen habe. Der Schwimm-Weltverband World Aquatics führte zuletzt eine offene Kategorie für alle Geschlechter und Geschlechts-Identitäten ein. Das Pilotprojekt, das sich insbesondere an Transpersonen richtet, feiert Anfang Oktober beim Weltcup in Berlin mit Bewerben über 50 und 100 Meter seine Premiere.

"Bin ich Frau genug?"

In der Schachwelt war, noch bevor die Fide-Regeln in Kraft traten, Kritik laut geworden. "Bin ich Frau genug", fragt Yosha Iglésias, eine in Paris lebende Schachlehrerin, YouTuberin und Community Managerin bei chess24. Und "wie genau" eine Fide-Einzelfallanalyse aussehen soll, das fragt sie sich auch. Yosha (35) hieß früher Joachim, im November 2021 wurde ihre Namensänderung vom französischen Staat registriert. Im Mai 2022 nahm sie an der französischen Blitzmeisterschaft der Frauen teil, sie belegte den zweiten Platz. Laut chess-international.com gab es "keine bösen Kommentare", es gab aber auch keine Auszeichnung für den zweiten Platz, den Iglésias erreichte. Seitens des französischen Verbands hieß es damals, er wolle sich u.a. erst mit dem Sportministerium und auch mit der Fide absprechen, bevor er entscheide, ob er Iglésias bei den Frauen nicht nur teilnehmen lasse, sondern auch werte.

Walter Kastner, dem Generalsekretär des österreichischen Schachbunds (ACF), ist hierzulande "kein einziger Fall" einer Transgenderschachspielerin bekannt, die bei den Frauen antreten wollte oder will. Theoretisch kann weder in Österreich noch weltweit ausgeschlossen werden, dass eine Person, die mit männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurde, aber als Frau registriert sei, an Frauenturnieren teilnehme – so sie zuvor nicht in der offenen Klasse spielte. Offene Klasse? "Ja", sagt Kastner. "Im Schach wird ja nicht in Männer- und Frauenturniere unterschieden, sondern es gibt Turniere in der offenen Klasse, die auch Frauen offensteht, und es gibt Frauenturniere." Nach wie vor ist die Frauenquote im Schach insgesamt sehr niedrig, Kastner schätzt sie weltweit auf ungefähr zehn Prozent.

Weitere Diskussionen

Die eigene Klasse, in der sie unter sich bleiben und jedenfalls flotter Chancen auf Erfolge haben, sollte für Frauen den Schachsport interessanter machen. In der Praxis sieht es deshalb nun so aus, dass kaum Frauen in der offenen Klasse antreten und dass auch keine einzige Frau in den Top 100 der offenen Kategorie rangiert. Derzeit ist keine "neue" Judit Polgar in Sicht. Die Ungarin gilt als spielstärkste Frau der Geschichte, sie nahm kaum an Frauenbewerben teil und erreichte 2005 – nach einer Babypause – mit Rang acht ihre beste Platzierung in der Weltrangliste der offenen Klasse. Hätte sie Frauenturniere bestritten, hätte sie die Titel nur so abgeräumt.

Yosha Iglésias wirft dem Weltverband vor, er lasse es mit seinen neuen Regeln so aussehen, "als wären Transgenderspielerinnen die größte Gefahr für Frauen im Schachsport". Einer Anfrage der "Washington Post" beantwortete die Fide wie folgt: "Natürlich haben Männer und Frauen dieselbe intellektuelle Kapazität. Aber im Schachsport könnten auch andere Faktoren wie die physische Ausdauer eine Rolle spielen." Ein Statement, das zweifellos für weitere Diskussionen sorgen wird. Ebenfalls in der "Washington Post" kam Richard Pringle zu Wort, auf Gender-Fragen spezialisierter Soziologie-Professor der Monash Universität in Melbourne, Australien. "Diese körperliche Dimension gibt es im Schachsport nicht", hält Pringle fest. "Schach ist ein Strategiespiel." (Fritz Neumann, 22.8.2023)