Die Schachspielerin Robin Duson einem Turnier gegen Anna-Maja Kazarian. 
Die Schachspielerin Robin Duson bei einem Turnier gegen Anna-Maja Kazarian.
IMAGO/ANP

Der Internationaler Schachverband Fide hat kürzlich beschlossen, dass Transfrauen derzeit nicht gegen Cis-Frauen antreten dürfen. Nur Frauen sollen gegen Frauen antreten dürfen, deren Geburtsgeschlecht weiblich war, die als Mädchen aufgewachsen sind und als Frauen leben. Seit Jahren gibt es hitzige Diskussionen über Testosteronwerte und die biologisch mögliche Trennschärfe zwischen "Mann" und "Frau" beim Sport. Für zahlreiche Vereine steht fest, dass es eine Trennschärfe braucht, um im Wettkampf Fairness zu gewährleisten. Das ist fraglos alles andere als einfach, steht damit doch noch mal radikaler als bisher die Kategorie "Mann" und "Frau" auf dem Spiel. So dient etwa die körperliche Konstitution bei Läufer:innen, Fußballer:innen oder Schwimmer:innen als zentrales Argument gegen die Öffnung für Transfrauen. Doch in vielen Sportarten ist Geschlecht längst nicht entscheidend, sondern Gewicht, Körpergröße oder die Spannweite des Körpers – etwa beim Schwimmen. Die physischen Voraussetzungen sind komplexer, als sie scheinen, und auch sozioökonomische Bedingungen ermöglichen und verhindern Spitzenleistungen. Das mit der Fairness war im Grunde schon immer kompliziert.

Denkleistung statt Muskelkraft

Aber zumindest die körperlichen Voraussetzungen könnte man beim Schach beiseiteräumen. Dass das nie passiert ist, ist erstaunlich. Da ist erst mal die grundsätzliche Frage: Warum gibt es beim Schach überhaupt Frauenteams? Geht es doch um Denkleistung, nicht um Muskelkraft oder Testosteronwerte. Denken Frauen weniger strategisch? Sind sie weniger konzentrationsfähig? Sind wir wirklich wieder oder noch immer auf diesem Level? Oder vertragen sie einfach zu wenig Alkohol, um richtig gut Schach zu spielen? So hat der Norweger Magnus Carlsen, Schachweltmeister von 2013 bis 2023, erst kürzlich erzählt, dass er bei einem Spiel 2012 rauschig und völlig übernächtig war.

Trotzdem gehört Carlsen einer Generation an, die sich grundsätzlich körperlich fit ans Brett setzt. Cardio- und Kraftraining gehört für viele Spieler:innen heute dazu. Dass Analysefähigkeit und die kalorienverzehrende lange Konzentration auch mit körperlicher Ausdauer zusammenhängen, klingt logisch. Weniger allerdings, dass sich die Verbesserung dieser kognitiven Fähigkeiten mithilfe von physischem Training entlang des Geschlechts unterscheidet. Außerdem spielt wie in jeder Sportart auch das Training eine Rolle. So werden Frauen und Männer schlichtweg unterschiedlich trainiert, wodurch sich Leistungsunterschiede ergeben könnten.

Jedenfalls zeigen die Regelungen beim Schach, dass hier Argumente zur körperlichen Konstitution zu kurz greifen und es Unterschiede zu anderen Sportarten gibt. So gibt es Turniere, die allen offenstehen, und eigene Bewerbe für Frauen, heißt es vom Österreichischen Schachverband. Bewerbe für Frauen würden auch organisiert, um Frauen zusätzliche Chancen zu bieten. Somit hätten die Frauenteams auch etwas mit der niedrigen Frauenquote im Schach zu tun.

Aber warum nun ein Verbot von Transfrauen bei Frauenteams? Die Erklärung des Weltverbands Fide bringt nicht das geringste Licht ins Dunkel. Eine Änderung des Geschlechts habe eine "erhebliche Auswirkung auf den Status eines Spielers und seine künftige Teilnahmeberechtigung an Turnieren". Deshalb sei im Falle einer "Geschlechtsumwandlung von Mann zu Frau" die Spielerin zur Teilnahme an offiziellen Fide-Veranstaltungen nicht berechtigt – solange der Verband keine weitere Entscheidung treffe.

Wie beim Gendermarketing

Weshalb noch gleich? Welche Auswirkung? Welchen Status des Spielers? Vielleicht ist der Grund in Wahrheit ziemlich einfach: Schon Ende der 1920er-Jahre etablierte der Weltschachverband eine Frauenweltmeisterschaft und trieb damit die Frau/Mann-Trennung voran. Das hatte allerdings nichts mit der Erkenntnis unterschiedlicher Voraussetzungen beim Schach zu tun. Zwar steckte damals sicher auch eine große Portion Sexismus dahinter. Noch wichtiger aber war wohl: So konnten mehr Wettbewerbe ausgerichtet werden – man konnte mehr verdienen.

Es ist also ein bisschen wie beim Gendermarketing: Die Segregation entlang von zwei Geschlechtern bringt Geld.

Im Sport muss man sich, wie in vielen anderen Bereichen auch, mit Transidentität und Intersexualität beschäftigen. Und das sollte eine ehrliche Auseinandersetzung sein. Das wäre angesichts der Diskriminierung, der psychischen Belastung durch diverse Ausschlüsse und des überbordenden Hasses gegen Transmenschen wirklich nicht zu viel verlangt. (Beate Hausbichler, 22.8.2023)