Kolumne Mittel-Alter Pohl
Zaster, der verlässlich die Begehrlichkeiten kleiner Babyboomer weckte: der gute alte Schilling.
Christian Fischer

Es ist die unumstößliche Absicht unserer Bundesregierung, dem Bargeld bestmög­lichen Schutz zu gewähren. Es soll sich hinter dem Schleier aus Eleganz und Schönheit, der unsere Verfassung nach Ansicht unseres Herrn Bundespräsidenten auszeichnet, sicher wähnen dürfen. Wer unter der Last vieler Centstücke stöhnt, muss bedenken: Früher, in den Schultagen der Kreisky-Zeit, war es der Besitz von Schillingen und Groschen, der den Weg in den Wettkampfsport ebnete.

Das Schrillen der Pausenglocke war noch nicht verhallt, schon zückten wir Taferlklassler unsere Geodreiecke. Rasch warfen die Besitzenden unter uns drei Münzen auf den Tisch. Sofort hob ein emsiges Kratzen und Schieben an. Das ganze Klassenzimmer verwandelte sich in einen Turnierparcours, Ausscheidungen entschieden über den Besitz von Pausenbroten und Panini-Bildern.

Dabei lohnt ein genauerer Blick auf die Zahlungsmodalitäten von uns wohlstandsgeschädigten Boomern. Die noch lebende meiner beiden Großmütter, "die Floridsdorfer Omama", besserte mein kärgliches Taschengeld nicht mit Schillingen auf. Sie hielt es für pädagogisch wertvoller, die Liebe zu ihrem Enkel in Genussmitteln auszudrücken. Jede Woche gelangte ich, ein dicklicher Bub, in den Besitz einer Rippe Schokolade. Dazu reichte mir die Omama eine überreife Südfrucht, die sie – aufgrund völlig unbegreiflicher Sprachverhältnisse – "Urantsche" nannte. Ich vermeinte irrtümlich, das Obst verdanke seine Herkunft einem nordamerikanischen Indianerstamm („Native Americans“).

Verdeckte Währungsmittel

Viel später lernte ich den Besitz von Travellerschecks und anderen, deutlich verdeckter einzusetzenden Währungsmitteln schätzen und begreifen. Etwa als ich eines morgens in einem italienischen Zugabteil erwachte und mich, der ich wie ein Murmeltier ge­schlummert hatte, meiner Schecks ­beraubt fand.

Tatsächlich finden sich in den Ausläufern der Abruzzen keinerlei indigene Stämme, die ich, ihrer ­etwaigen Langfingrigkeit wegen, eines Übergriffs hätte verdächtigen können: keine Schoschonen, ­keine Komantschen – und schon gar keine Urantschen. (Ronald Pohl, 23.8.2023)