Fotohof Andrea Witzmann Gerald Domenig
Andrea Witzmanns Aufnahme eines Heuwenders vor einer burgenländischen Reihenhaussiedlung. Der Titel des Bildes: Hay for My Ox
Andrea Witzmann

Menschen sind auf ihren Fotos keine zu sehen. Nur auf einem Bild lehnt eine Person mit Ringelpulli an einem lebensgroßen Nashorn aus Styropor. Doch auch sie trägt eine plüschige Bärenmaske. Die Leere und das Unheimliche sind die Themen der Wiener Fotografin Andrea Witzmann, die zusammen mit dem in Frankfurt lebenden Kärntner Gerald Domenig die aktuelle Ausstellung im Fotohof in Salzburg bestreitet.

Beide eint der gewitzte Blick auf das scheinbar Bedeutungslose. Die Peripherie wird in ihren Bildern in den Mittelpunkt gerückt, der Hässlichkeit Schönheit verliehen. In ihrem Fotoprojekt wien.herzschlag (bei Böhlau in Buchform erschienen) hat Witzmann vor zwei Jahren Bilder der österreichischen Hauptstadt eingefangen, wie sie Ulrich Seidl nicht besser hinkriegen könnte: abseits aller Klischees, weit weg von allem, was die Herzen von Touristiker höherschlagen lässt. Und trotzdem konnte man in Witzmanns Bildern versinken.

In ihren jüngsten, in Salzburg zu sehenden Fotografien (erstmals digital entstanden) weitet sich der Blick räumlich wieder, wird humorvoller und mit subtilen Referenzen ausgestattet. Eines der besten Beispiele ist die Aufnahme eines Heuwenders auf einer Wiese vor einer Reihe trostloser Reihenhäuser: Plumpheit und Filigranität, Funktion und Dekoration treffen mit einer Wucht aufeinander, die durch die satten Farben noch einmal verstärkt wird. Der Titel des Bildes: Hay for my Ox, eine Anspielung auf ein Lesebuch für Waldorf-Schüler.

Bilder machen nicht entwickeln

Popkulturelle oder literarische Fingerzeige verleihen auch anderen Bildern einen zusätzlichen Witz, sei es die Aufnahme eines gelben Flokati auf einer bunten Blätterwiese (Sunshine Came Softly – on Your Velvet Throne nach einem Song von Donovan) oder von Amaryllis in einer offenen Kühlbox (Mapplethorpe to Go). Witzmanns ungeheure Präzision des Blicks, der das Beklemmende ihrer Fotos unterstreicht, ist auch den Schwarz-Weiß-Aufnahmen Gerald Domenigs eigen, wenngleich in gänzlich anderer Weise. Domenig entwickelt in der Dunkelkammer nicht nur seine Bilder, er macht sie. Und zwar auf eine Weise, durch die etwa das Bild eines Gehsteigs zu einem abstrakten Spiel mit Quadraten und Rechtecken wird.

Geometrische Lichtflächen durchziehen seine Architekturfotos von Hinterhöfen, Häuserwänden oder Steinmauern. In ihrer Trostlosigkeit erinnern sie an Aufnahmen aus dem Ostberlin der DDR-Zeit, doch Domenig geht es weniger um eine räumliche Verortung als um das formale Spiel mit An- und Abwesenheiten. Welche Motive erst durch die nachträgliche Bearbeitung, etwa durch unterschiedliche Belichtung, hinzugefügt werden, entzieht sich dem Betrachter, die Arbeit mit der Schere an den Abzügen ist aber gut nachvollziehbar. Mal wird nur eine Ecke einer Aufnahme abgerundet, mal ein Bild gefaltet oder durch einen Schnitt in seiner Rätselhaftigkeit verstärkt.

Entfalten Witzmanns Fotografien auch ganz unmittelbar ihre Wirkung, so erfordern jene von Domenig die Geduld der Auseinandersetzung mit ihnen. In der Gegenüberstellung im Salzburger Fotohof entfalten beide aber trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer Stille und Zurückgenommenheit eine ganz eigene Qualität. (Stephan Hilpold, 23.8.2023)