Sierndorf/Poysdorf – Es gibt wenig Großes in Höbersdorf nördlich von Wien: Der Bahnhof besteht aus einem einzelnen Bahnsteig, der Göllersbach plätschert als kleines Rinnsal durch die Siedlung, ein paar hundert Menschen wohnen in der Ortschaft. Doch Höbersdorf könnte etwas Großes bekommen: eine Lagerhalle des Möbelriesen XXXLutz. Unter den Höbersdorferinnen und Höbersdorfern herrscht größte Aufregung, weil die Firma Pläne wälzt, ihr Lager von Stockerau in ihr Dorf zu verlegen. Fünf Hektar Grund sollen dafür genutzt und großteils zubetoniert werden. Das ist Land, auf dem bisher Landwirtschaft betrieben wurde, wofür der Boden hervorragend geeignet ist.

XXXLutz wirbt mit weithin sichtbaren roten Stühlen für seine Möbelhäuser. Auf Großes lieber verzichten wollen Bürgerinnen und Bürger in Höbersdorf.
IMAGO/Jürgen Schwarz

Eine Bürgerinitiative fordert nun "Umweltschutz für uns und unsere Kinder, für ein lebenswertes Höbersdorf", wie ein Sprecher dem STANDARD sagt. "Die geplanten Erweiterungen stehen in keiner Relation zu unserem kleinen 300-Einwohner-Dorf." Tatsächlich kommt der für das Lager infrage kommende Acker auf etwa die Hälfte der Fläche des besiedelten Wohngebiets in Höbersdorf.

XXXLutz kaufte Acker für 1,2 Millionen Euro

Ein Sprecher von XXXLutz erklärt auf Anfrage, dass die Firma in Stockerau an ihre "Kapazitätsgrenze" stoße und Optionen prüfe. Es gebe aber derzeit "keinen konkreten Zeitplan, keinen finalen Standort und keine Baupläne. Gerüchte kommentieren wir generell nicht."

Ganz so unkonkret, wie das klingt, scheint die Sache aber nicht zu sein: Die Firma hat die Äcker bereits im Juni 2022 gekauft. 1,2 Millionen Euro hat XXXLutz für die rund 50.000 Quadratmeter bezahlt. Im Grundbuch steht, die Fläche sei landwirtschaftlich zu nutzen. Die Flächenwidmung sieht Grünland vor – aber auch die Freihaltung der Flächen "aus Gründen der Betriebsentwicklung".

"Keine optimale Eignung"

Kein Unternehmen bezahlt so viel Geld, ohne Indizien zu haben, dass sich die Investition auch lohnt. Das gilt auch hier. Einen solchen Hinweis auf Erfolg könnte die Firma in einem Teil der regionalen Leitplanung des Landes Niederösterreich gesehen haben. Dieser Prozess hat das Ziel, Dorfkultur zu erhalten sowie Wildwüchse in Gewerbegebieten, Zersiedelung und Bodenfraß zu verhindern.

Höbersdorf gehört politisch zur Gemeinde Sierndorf, für die im Rahmen der Regionalplanung ein raumplanerischer "Steckbrief" erstellt wurde. Das Planungsunternehmen vermerkte darin auch die Wünsche der Gemeinde. Einer davon: "Entwicklungsflächen" genau auf jenen Äckern, die XXXLutz gekauft hat. Doch die Raumplaner sahen dort unter Verweis auf Studien zu Gewerbe und Verkehr "keine optimale Eignung", wenngleich eine erneute Prüfung fachlich sinnvoll erscheine.

Grüne wollen Land einschalten

Bürgermeister Ernst Kreuzinger (ÖVP) reagierte auf eine Anfrage des STANDARD nicht. In den "Niederösterreichischen Nachrichten" verteidigte er sein Bemühen für die Ansiedlung von XXXLutz: Es gehe um Arbeitsplätze. "Wenn es mehr Arbeitsplätze vor Ort gibt, siedeln sich auch wieder mehr junge Familien an", sagt der Ortschef. Er suche den Dialog mit der Bevölkerung.

Die niederösterreichischen Grünen unterstützen die Bürgerinitiative. "Großbetriebe wie Lager von XXXLutz oder Logistiker gehören nicht aufs Land", sagt Landessprecherin Helga Krismer. "Ich erwarte mir, dass die Abteilung für Raumordnung tätig wird." Wenn sich Betriebe ansiedeln wollen, "dann dort, wo es in der Raumplanung Sinn macht".

Lagerhaus-Großstandort in Poysdorf

Ein ähnliches Problem sieht Krismer in Poysdorf, rund 45 Kilometer entfernt. Auch dort unterstützen die Grünen eine Bürgerinitiative. Die Weinstadt hat derzeit zwei Standorte des Raiffeisen-Händlers Lagerhaus: einen Baumarkt im Nordosten und ein Lager im Süden der Stadt. Wie Lagerhaus auf STANDARD-Anfrage bestätigt, sei das Ziel der Genossenschaft, "diese auf einen Standort zusammenzulegen, der dann Baumarkt, Weinbaucenter, Werkstätte und Agrar umfassen wird". So könnten "diverse Synergieeffekte erreicht werden".

Die Sorge von Bürgerinnen und Bürgern in der Nähe des geplanten Großstandorts: Während der Baumarkt aktuell an einer Durchzugsstraße am Ortsrand liegt, könnte eine Übersiedlung den Verkehr in ihre Siedlung bringen. Und: Rund um das aktuelle Lagerhaus-Lager liegen fruchtbare Böden, die versiegelt würden. Dort, wo aktuell der Markt steht, sollen dann Wohnungen gebaut werden – das ist zumindest der Wunsch von Lagerhaus.

Arbeitsplätze und Entlastung

Poysdorfs Bürgermeister Josef Fürst (ÖVP) tritt für das Projekt ein. Sollte es realisiert werden, würden Arbeitsplätze geschaffen und die Versorgung der Bevölkerung mit den Produkten des Lagerhauses gesichert. Er geht auch davon aus, dass schwere Baustoffe dann nicht mehr in Poysdorf gelagert werden, was eine Entlastung für seine Stadt bringen würde. Ob das alles überhaupt möglich ist, soll in der Entwicklung einer Raumplanung geklärt werden.

Die Anrainerinnen und Anrainer würden darin dann eingebunden, er nehme die Bedenken auch sehr ernst. Und: Fürst sagt, er trete "auch dafür ein, dass so wenig wie möglich neu versiegelt wird". Das verspricht auch das Lagerhaus. (Sebastian Fellner, 31.8.2023)