Salzburger Festspiele Crepaz
Mann der Zahlen: Lukas Crepaz leitet federführend die Sanierung und Erweiterung der Salzburger Festspielhäuser.
Peter Rigaud

Es ist die zentrale kulturelle Infrastruktur des Landes Salzburg: Der Festspielbezirk mit seinen drei Opernhäusern wird das ganze Jahr über bespielt und von dutzenden Kulturorganisationen genutzt. Die wichtigste davon sind natürlich die Festspiele, deren kaufmännischer Direktor, Lukas Crepaz, federführend im größten kulturellen Bauvorhaben Salzburgs der kommenden Jahre ist, der Sanierung und Erweiterung des Festspielbezirks. Die Häuser und ihre Technik sind schon lange in die Jahre gekommen, Werkstätten platzen aus allen Nähten, An- und Abtransport der Bühnen erfolgt noch immer über die Altstadt. Aus dem internationalen Wettbewerb des Projekts ging das Wiener Büro Jabornegg & Pálffy, das zuletzt das österreichische Parlament sanierte, als Sieger hervor, noch in diesem Herbst werden erste Probebohrungen vorgenommen, die Bauausschreibungen erfolgen in den kommenden zwei Jahren. Doch angesichts immenser Kostensteigerungen aufgrund der allgemeinen Teuerung gibt es derzeit viele Fragezeichen.

STANDARD: Bei der "Falstaff"-Premiere tropfte es im Großen Festspielhaus wieder durchs Dach. Kann in den kommenden Jahren in dem Haus noch ohne Gefährdung gespielt werden?

Crepaz: So dramatisch ist es nicht, wir halten laufend instand. Tatsächlich war aber der Wassereinbruch 2018 während eines Sokolov-Projekts der Punkt, an dem allen klar wurde, dass die Festspielhäuser dringend saniert werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt war auch evident, dass wir mehr Platz für Werkstätten brauchen. Unsere Mitarbeiter beklagten sich unisono, dass sie unter diesen räumlichen Bedingungen nicht weiterarbeiten können.

STANDARD: Der Platzmangel und der Sanierungsbedarf waren schon viel früher ein offenes Geheimnis. Warum ist so lange nichts passiert?

Crepaz: Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben. Fakt ist aber, dass das Rumpfprogramm, das wir 2020 während der Pandemie spielten, in etwa den Dimensionen der Festspiele der 1960er-Jahre entsprach. Damals wurde das Große Haus eröffnet, die Werkstätten, die damals gebaut wurden, sind noch immer das Platzangebot, das wir heute haben. Das ist ungefähr so, wie wenn man mit einem Oldtimer eine Rallye fahren muss.

STANDARD: Die Projekte und die Finanzierungszusagen stehen mittlerweile, die Fertigstellung wurde aber bereits von 2030 auf 2032 verschoben. Warum diese Zeitverzögerung?

Crepaz: In der Zielplanungsphase, die gerade abgeschlossen wurde, haben wir anhand des Siegerprojekts von Jabornegg & Pállfy Bauphasen erarbeitet – ohne den Festspielbetrieb der kommenden Jahre zu gefährden. Dabei ist klar geworden, dass bei diesem Projekt, das sich vom Studienprojekt deutlich unterscheidet, da ein neues Werkstättengebäude entsteht, der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten werden kann.

STANDARD: Ursprünglich rechneten Sie mit 262 Millionen Euro Baukosten, durch die Teuerung und die Kostenexplosionen im Baugewerbe ist diese Summe mittlerweile Makulatur. Sie arbeiten derzeit mit unterschiedlichen Szenarien. Welches ist das wahrscheinlichste Szenario?

Crepaz: Der Kostenrahmen stammt aus dem Juni 2019, vor den multiplen Krisen. Damals nahmen wir drei Prozent Indexsteigerung bei den Baukosten an. Damit wären wir auf 335 Millionen gekommen. Diese Valorisierungsreserve ist aufgebraucht. Jeder, der derzeit baut, hat das Problem, dass man nicht weiß, wie sich der Baupreisindex weiterentwickelt.

STANDARD: Was tun?

Crepaz: Wir haben bei den Festspielen seit der Pandemie eine gewisse Routine in der Bewältigung von Krisen. Wir haben Szenarien für unterschiedliche Entwicklungen erarbeitet. Wir hoffen, dass durch die Rezession in der Bauwirtschaft der Wettbewerb wieder stärker wird und wir dadurch bessere Preise bei den Ausschreibungen erzielen. Diese erfolgen in den kommenden zwei Jahren, Baustart soll für das privat finanzierte Festspielzentrum der Herbst 2024 sein, im Herbst 2025 folgt der Hohlraumbau für das Haus im Berg, das Werkstättengebäude und die neue Logistikachse, im Herbst 2026 die Sanierung des Großen Hauses.

STANDARD: Redimensionieren Sie das Projekt, wenn Sie die Finanzierung nicht stemmen?

Crepaz: Wir entwickeln Pläne, welche Bereiche wir zu einem späteren Zeitpunkt in separaten Projekten realisieren können.

STANDARD: Welche wären das?

Crepaz: Die Sanierung des Hauses für Mozart oder der Felsenreitschule zum Beispiel. Es wäre der falsche Weg, an der Qualität zu sparen, lieber schieben wir Bauteile auf. Nach den Ausschreibungsergebnissen können wir sagen, wie wir weiter agieren können.

STANDARD: Was, wenn die Gesamtbausumme Richtung einer halben Milliarde geht?

Crepaz: Nachdem man die Preisentwicklung derzeit seriöserweise nicht vorhersehen kann, ist es müßig, über Summen zu reden.

STANDARD: Themenwechsel: Was sagt der Kaufmann zum heurigen Festspielsommer?

Crepaz: Wir haben einen fantastischen Sommer, sowohl künstlerisch als auch kaufmännisch. Wir sind wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie. Wir haben 213.000 Karten aufgelegt und gehen in der Auslastung Richtung 2019, damals hatten wir eine Auslastung von 97 Prozent. Dieses Jahr mussten wir trotz sehr ambitionierter Erlösplanungen wegen der enormen Kostensteigerungen unter Rückgriff auf Rücklagen planen. Nach den Energiekosten im vergangenen Jahr machen uns heuer wegen der Inflation die Kostensteigerungen im Personalbereich zu schaffen.

STANDARD: 45 Prozent Ihres Budgets finanzieren Sie durch Kartenerlöse, Sie haben allerdings nur die Preise der teuersten Karten um drei Prozent angehoben. Ist das angesichts der gewaltigen Inflation kaufmännisch vertretbar?

Crepaz: Unser großes Anliegen besteht darin, dass der Besuch der Festspiele leistbar bleibt. Wir haben uns deshalb entschieden, dass über 50 Prozent, das heißt über 100.000 Karten, weiterhin zwischen fünf und 110 Euro kosten und diese Kartenpreise nicht erhöht werden.

STANDARD: Für kommendes Jahr haben Sie bereits verlautbart, dass auch die mittleren Preislagen um etwa drei Prozent angehoben werden. Das heißt, Sie werden angesichts der hohen Inflation weiterhin auf Reserven zurückgreifen müssen, oder kürzen Sie das Programm?

Crepaz: Auch in diesem Jahr hat die künstlerische Planung auf die Finanzierbarkeit des Programms Rücksicht genommen. Wir budgetieren alles mit Deckungsbeiträgen. Am Ende muss das Verhältnis variabler Kosten zu variablen Erlösen stimmen.

STANDARD: Anders ausgedrückt, der künstlerische Intendant wird kommendes Jahr wiederum ein schmaleres Budget haben.

Crepaz: Wir werden es in der gemeinsamen Abstimmung schaffen, dass auch kommendes Jahr wieder ein hervorragendes Programm realisiert werden kann. Wir eruieren seit Jahren alle Sparmöglichkeiten abseits der Kunst, machen das auch weiterhin, selbst wenn es da nicht mehr viel Potenzial gibt. Wir brauchen aber auch für die 25 Prozent unseres Budgets, das aus der öffentlichen Hand kommt, dringend eine Valorisierung. Wir hatten in den letzten beiden Jahren im Personalbereich Kostensteigerungen wie zusammengenommen in den vergangenen sechs Jahren.

STANDARD: Welche Signale sendet die Politik?

Crepaz: Wir sind in guten Verhandlungen.

STANDARD: Zusammengefasst heißt das: Die fetten Jahre bei den Festspielen sind vorbei.

Crepaz: Sagen wir so: Die unbekümmerten Jahre sind schon länger vorbei, aber gerade das ist doch die Herausforderung. (INTERVIEW: Stephan Hilpold, 27.8.2023