INTERVIEWER: Herr Tschuiderer, Sie sind Leiter des Alpenländischen Instituts für Sprachentwicklung und –

TSCHUIDERER: Das ist richtig.

INTERVIEWER: – und bereiten als solcher ein Volksbegehren vor zur "Entmannung des generischen Maskulinums". Was –

TSCHUIDERER: Erste Sondierungen im Telfser Raum stimmen uns zuversichtlich, dass wir die nötigen Unterschriften bald beisammenhaben.

INTERVIEWER: Was müssen wir uns unter diesem Projekt vorstellen? Eine Art Kastration?

Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache
In den letzten Jahren ist durch die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache das ursprünglich geschlechtsneutrale generische Maskulinum in Verruf geraten als Unterdrückungsvehikel des Patriarchats.
IMAGO/Michael Bihlmayer

TSCHUIDERER: Natürlich nicht. Uns geht es ausschließlich um eine positive Sprachentwicklung. In den letzten Jahren ist ja – nicht nur im alpenländischen Raum, sondern bis hinauf an die Strände der Nord- und der Ostsee – durch die berechtigte Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache das ursprünglich geschlechtsneutrale generische Maskulinum in Verruf geraten als Unterdrückungsvehikel des Patriarchats, und man hat daher versucht, etwas daran zu verändern. Aber alle diese Versuche haben nur zu einer heillosen orthographischen Verirrung geführt. Unser Ziel ist daher, dieser Verirrung ein Ende zu setzen, indem wir das generische Maskulinum im übertragenen Sinn entmannen und ihm seine Geschlechtsneutralität zurückgeben.

INTERVIEWER: Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

TSCHUIDERER: Der Fehler der Sprachreformer – Sie bemerken, ich verwende es bereits wieder und spreche nicht mehr von Reformerinnen und Reformern –, der Fehler der Sprachreformer war, sich auf den Plural zu konzentrieren statt auf den Singular.

INTERVIEWER: Ich verstehe nicht – ...

TSCHUIDERER: Es ist ganz einfach. Im Singular wird die weibliche Form kenntlich gemacht durch das Suffix -in, Telfserin, Lehrerin und so weiter. Wir fordern nun im Sinn der Geschlechtergerechtigkeit die Kenntlichmachung auch der männlichen Form, und zwar durch die Nachsilbe -er, Telfserer, Lehrerer. Dadurch wird die Pluralform in ihrer ursprünglichen Form sofort als geschlechtsneutral wahrgenommen und kann bedenkenlos verwendet werden für Männer und Frauen und diverse andere Geschlechter.

INTERVIEWER: Also in Hinkunft Sängerer, Pfarrerer, Tirolerer?

TSCHUIDERER: Das ist richtig. Sofern es sich um Männer handelt. Und im Plural weiterhin Sänger, Pfarrer, Tiroler, aber nun geschlechtlich entlastet.

INTERVIEWER: Das wird nicht bei allem funktionieren. Gott zum Beispiel.

TSCHUIDERER: Gott steht über den Geschlechtern. Und Ausnahmen wird es immer geben.

INTERVIEWER: Wildererer klingt auch nicht schön.

TSCHUIDERER: Der Wilderer ist von vornherein eine Ausnahmeerscheinung und bleibt daher, wie er war.

INTERVIEWER: Wie ist es mit Ihrem Namen? Oder dem Ihrer Gattin? Tschuiderin?

TSCHUIDERER: Auch Eigennamen bleiben selbstverständlich unangetastet. Meine Gattin ist und bleibt dem Tschuiderer seine Alte und ich der Tschuiderer ihr Alter, so wie das immer gewesen ist im alpenländischen Raum.

INTERVIEWER: Herr Tschuiderer, ich danke für das Gespräch.

TSCHUIDERER: Das ist richtig.
(Antonio Fian, 25.8.2023)