So viel Geld wurde im vergangenen Jahr im Zuge des Finanzausgleichs verschoben.

"Es geht nichts weiter": Wer sich nach dem Fortschritt in einem für die Republik entscheidenden Vorhaben erkundigt, hört immer wieder diese Einschätzung. Seit Jahresbeginn verhandeln Bundesregierung, Länderchefs, Gemeindevertreter und andere Player wie die Sozialversicherung über einen neuen Finanzausgleich – dem Vernehmen nach mit dürftigem Erfolg. Vor dem sprichwörtlichen heißen Herbst eine Auffrischung für alle, die diese Debatte über den Sommer nicht atemlos verfolgt haben.

Frage: Worum geht es überhaupt?

Antwort: Um die Verteilung des Großteils der staatlichen Steuereinnahmen für die nächsten fünf Jahre. 2022 wurden 104,6 Milliarden Euro an Einnahmen aus "gemeinschaftlichen Bundesabgaben" verschoben. Gemäß dem "vertikalen Verteilungsschlüssel" flossen 68 Prozent an den Bund, 20 Prozent an die Länder, zwölf Prozent an die Gemeinden – erst einmal. Denn in der Folge setzt ein komplexes Transfersystem mit Sonderzahlungen, Ab- und Zuschlägen sowie eigenen Steuern der jeweiligen Ebenen ein. Am Ende kommen die Länder laut KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) auf 30 Prozent der Mittel, die Gemeinden auf 17 Prozent.

Frage: Worüber wird nun gestritten?

Antwort: Länder und Gemeinden fordern mehr Geld, konkret eine Änderung des vertikalen Schlüssels. Künftig soll Ersteren rund 25 statt 20 Prozent des Steuerkuchens gebühren, Letzteren 15 statt zwölf Prozent. Gemessen am Volumen von 2022 würden dem Bund zugunsten der Länder und Gemeinden knapp acht Milliarden Euro im Jahr entgehen.

Frage: Gibt es dafür plausible Gründe?

Antwort: Es ist unbestritten, dass die Kosten für Spitäler und Pflege vor allem wegen der Alterung der Gesellschaft weiterhin kräftig steigen werden. Zuständig für diese Aufgaben sind in Österreich die Bundesländer und Gemeinden, die sich auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) stützen: Demnach sind die Ausgaben des Bundes von 2001 bis 2018 um 53,7 Prozent gestiegen, jene der "subnationalen Ebene" aber gleich um gut 70 Prozent. Diese Realität müsse sich endlich im Finanzausgleich widerspiegeln.

Gleichzeitig spürten die Länder und Gemeinden schmerzlich den Einnahmenverlust infolge diverser Steuersenkungen wie der Abschaffung der kalten Progression, auf die sie – weil von der Bundesregierung beschlossen – keinen Einfluss hatten, ergänzt KDZ-Forscherin Karoline Mitterer: "Das erklärt die Vehemenz, mit der diesmal der Verteilungskampf geführt wird."

Frage: Leuchtet der Bundesregierung diese Argumentation ein?

Antwort: Nicht wirklich. Das von der ÖVP geführte Finanzministerium stellt eine Gegenrechnung auf. Die Länder würden verschweigen, dass auch ihre Einnahmen stärker als jene des Bundes gewachsen sind, so der Konter. Nach 2018 habe sich die Last überdies verschoben: In der jüngsten Vergangenheit, die allerdings vom Ausnahmefall der Pandemie geprägt war, seien beim Bund die Ausgaben stärker gestiegen als die Einnahmen, während es bei den Ländern umgekehrt sei.

Frage: Will der Bund gar nichts drauflegen?

Antwort: So knausrig gibt sich die von ÖVP und Grünen geführte Regierung dann doch nicht. Anfang Juli haben die Bundesvertreter ein konkretes Angebot vorgelegt: Insgesamt zehn Milliarden Euro, also zwei Milliarden pro Jahr, will die Koalition den Ländern und Gemeinden zusätzlich zugestehen. Zwei Drittel davon wären für Gesundheit und Pflege reserviert, der Rest für den Ausbau der Kinderbetreuung und andere Investitionen.

Video: Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) verkündeten Anfang Juli, dass man bereit sei, über fünf Jahre zehn Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.
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Frage: Das klingt doch recht üppig. Wie haben die Länder reagiert?

Antwort: Schwer verärgert. Rote und schwarz-türkise Landeshauptleute unterscheiden sich allenfalls in der Schärfe der Wortwahl, der Tenor bleibt der gleiche: Das Angebot sei inakzeptabel, weil de facto eine Mogelpackung. Schließlich habe der Bund in die zwei Milliarden Leistungen eingerechnet, die dieser ohnehin schon bisher bezahlt habe und nun eben fortschreibe. An frischem Geld, um die steigenden Kosten zu decken, blieben in Wahrheit nur 213 Millionen für die Länder und 260 Millionen für die Gemeinden übrig.

Expertin Mitterer teilt diese Einschätzung. Tatsächlich würde das Angebot des Bundes nur auf minimale zusätzliche Mittel hinauslaufen. Bei manchen Leistungen – etwa dem Gehaltsbonus für Pflegekräfte – würden die Länder sogar schlechter aussteigen als bisher, weil sie künftig mitzahlen müssten.

Im Finanzministerium vertritt man naturgemäß eine andere Interpretation. Aus Sicht der Budgethüter dreht sich der Konflikt überdies auch um eine grundsätzliche Differenz: Die Länder wollten "Geld ohne Mascherl", das sie wofür auch immer ausgeben dürften. Die Bundesregierung hingegen knüpfe neue Mittel an konkrete Zwecke und Reformen.

Frage: An welche zum Beispiel?

Antwort: An erster Stelle stehen Gesundheitsreformen, ohne die – so Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) – das System an die Wand fahre. Ein Hauptziel ist der Ausbau von Primärversorgungszentren und anderen Angeboten im niedergelassenen Bereich, damit weniger Menschen als bisher die teuren und überlasteten Spitäler besuchen. Doch die zersplitterte Kompetenzverteilung hat solche Pläne bisher hintertrieben. Beim Finanzausgleich soll nun ein für alle Beteiligten verbindlicher Modus gefunden werden.

Frage: Teilen die Länder dieses Ziel nicht?

Antwort: Doch, schon. Ihnen galoppieren ja gerade die Kosten der Spitäler davon. Bis zum Sommer sei man mit Rauch auch gut vorangekommen, heißt es. Allerdings habe das mickrige finanzielle Angebot den Vorhaben eben kein bisschen entsprochen. Dass der Grüne in der Folge mit Finanzminister Magnus Brunner eine Front gebildet habe, nimmt man ihm in Länderkreisen übel.

Frage: Was, wenn es keine Einigung gibt?

Antwort: Dann wird der laufende Finanzausgleich fortgeschrieben, was Länder und Gemeinden in finanzielle Nöte bringen würde, wie Mitterer warnt: Bei der Gesundheitsversorgung angefangen, müssten sie wohl Leistungen (weiter) zurückfahren.

Der Bund hingegen würde sich erst einmal Geld sparen – jedoch mit dem hohen Risiko unliebsamer Nebenwirkungen. Keine Regierung kann Interesse daran haben, mit den Ländern dauerhaft auf Kriegsfuß zu stehen. Und mit dem Finanzausgleich wäre auch eine Chance vertan, die Republik voranzubringen.

Frage: Inwiefern?

Antwort: Im Zuge des Finanzausgleichs stehen viele Nebenvereinbarungen zur Debatte, von der Aufstockung des Schulpersonals bis zum Klimaschutz. Bei letzterem Thema geben die Signale der Beobachterin Mitterer allerdings wenig Hoffnung. Klimaschutz werde vernachlässigt, glaubt sie: "Es wird diskutiert, wie man sich die zu erwartenden Strafzahlungen aufgrund der Zielverfehlungen aufteilt – aber nicht, wie man diese verhindert." (Gerald John, 28.8.2023)