Sitzungssaal des Brics-Gipfels in Johannesburg, der iranische Präsident Ebrahim Raisi groß am Bildschirm.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi in Johannesburg: Er kam, um die Einladung der Brics an Teheran anzunehmen.
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Der iranische Präsident Ebrahim Raisi reiste am Ende des Brics-Gipfels nach Johannesburg, um die Einladung an die Islamische Republik persönlich anzunehmen: Dass der Iran mit Beginn nächsten Jahres dem Staatenbund aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika beitreten darf, wird in Teheran als "historische Leistung" der Führung gefeiert.

Angesichts der kaputten Wirtschaft, die nicht nur unter den US-Sanktionen, sondern auch an Missmanagement und Korruption leidet, überraschte die Brics-Entscheidung, den Iran als einen von sechs neuen Staaten aufzunehmen. Für das Regime in Teheran ist sie der Beweis, dass es nicht so isoliert ist, wie die USA und "der Westen" es behaupten. "Eure Probleme sind nicht unsere" sei die Botschaft, so die südafrikanische Politologin Sanusha Naudu in Al Jazeera.

Keine Angst vor Teheran

Nicht nur China und Russland, sondern auch gewichtige Regionalmächte – und Demokratien – wie Indien und Brasilien scheuen die Kooperation mit dem im Westen verpönten Iran nicht. Mit im Boot sind jedoch auch arabische Pfeiler der US-Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten, bei der es seit 1979, dem Jahr der islamischen Revolution, immer auch stark um die Eindämmung des Iran gegangen ist. Denn auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ägypten gehören zu den Brics-Beitrittsländern. Die anderen beiden sind Äthiopien und Argentinien.

Die Mena-Region (Middle East North Africa) bekommt auf einen Schlag eine starke Präsenz im Staatenbund, der von sich selbst noch nicht ganz weiß, ob er Fisch oder Fleisch ist – nur Wirtschaft oder auch stark politisch. Für Teheran ist beides interessant, etwa die Aussicht, Geschäfte in anderen Währungen machen zu können. Von der Entdollarisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ist die Welt noch weit entfernt – aber immerhin haben die Vereinigten Arabischen Emirate im März zum ersten Mal einen Flüssiggasdeal mit China in Yuan abgewickelt.

Die Lust auf größere strategische Autonomie ist den VAE, Ägypten und noch mehr Saudi-Arabien stark anzumerken. Sie haben einen Fuß im Westen, der andere soll frei spielen. Riad ist dabei, durch die Vermittlung Chinas die Beziehungen zum Iran zu normalisieren. In der Opec+ hält es durch Kürzung der Ölförderquoten den Preis – nicht nur, aber auch im Interesse Russlands – hoch. Die arabischen Staaten haben sich beim Ukrainekrieg in der Uno-Generalversammlung zwar nie gegen pro-ukrainische Resolutionen gestemmt, was ihren Beziehungen zu Moskau jedoch keinerlei Abbruch getan hat.

An Bedeutung verloren

Seit Jahren gehört zur Nahostanalyse die Feststellung, dass die Region in den vergangenen zwanzig Jahren für die USA an Bedeutung verloren hat und dass das politische Vakuum zu Verunsicherung geführt und Konflikte verschärft hat. Mit dem Aufkommen der neuen Golf-Autokratengeneration, verkörpert durch Mohammed bin Zayed in den VAE und Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien, hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass die Araber für die eigene Sicherheit nicht nur auf eine Allianz mit den USA setzen sollen.

Russland bot sich mit dem Syrien-Krieg eine Chance, als Akteur zurückzukommen. Nun gibt es auch politischen Platz für China, wirtschaftlichen schon lange. Der Nahe Osten wird in der Politik der Brics-Staaten durch die Neuzugänge mehr Gewicht haben – und dadurch vielleicht auch wieder für Washington interessanter werden.

Dass Saudi-Arabien unter den sechs Auserwählten ist, scheint logisch. Sein Handel mit den Brics-Staaten hat sich in fünf Jahren (2017 bis 2022) verdoppelt. Angesichts der riesigen Projekte, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman zur Transformation der saudischen Wirtschaft betreibt, ist auch die NDB (New Development Bank) in Schanghai interessant, die manche als Brics-Konkurrenz zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IMF) verstehen. Die VAE und Ägypten sind schon dabei.

Ägypten ist trotz seiner wirtschaftlichen Schwäche ein Staat, um den man an der Mena-Schnittstelle nicht herumkommt, vor allem ist es ein riesiger Markt. Andere arabisch-nordafrikanische Kandidaten, namentlich Algerien und Tunesien, die sich offen beworben hatten, wurden in dieser Runde nicht berücksichtigt.

Tunesien ist klein und marod, aber mit Algerien hatten einige gerechnet: Es hätte tatsächlich zur energiefokussierten Auswahl Saudi-Arabien, VAE und Iran gepasst. Algerien sieht in Brics so etwas wie einen potenziellen Nachfolger der Bewegung der Blockfreien Staaten im Kalten Krieg – was eine chinesische Hegemonie im Bund ausschließen würde, die ja auch andere nicht wollen. (Gudrun Harrer, 27.8.2023)