Lifebrain, Gurgeltests, Wien
Insgesamt wurden im Wiener Lifebrain-Labor rund 61 Millionen Gurgeltests ausgewertet.
Foto: AFP / Alex Halada

Von null auf 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und wieder zurück auf null. Das hat das Wiener Großlabor Lifebrain in nicht einmal zweieinhalb Jahren durchlebt. So laut es um die Firma mit ihren Gurgeltests und ihrem Aufstieg in der turbulenten Corona-Zeit bisweilen auch war, so leise gestaltete sich mit dem Ende der Pandemie das Aus des Unternehmens: Wie DER STANDARD in Erfahrung bringen konnte, hat Lifebrain seinen Betrieb in Österreich per Ende Juli komplett eingestellt. Das bestätigte ein Sprecher auf eine entsprechende Anfrage.

Zuletzt waren im Juli nur noch 20 Angestellte für die Rückabwicklung sowie die Rückgabe der verbliebenen Laborräumlichkeiten auf dem Areal des ehemaligen Otto-Wagner-Spitals in Penzing tätig. Die Labortätigkeiten wurden – parallel zum Aus des Wiener Testprogramms "Alles gurgelt" und dem Ende aller Corona-Maßnahmen – bereits Ende Juni beendet: Zuletzt seien laut einem Sprecher nur noch ein paar Hundert Corona-Tests pro Tag ausgewertet worden. Das umfassende Labor-Inventar wurde in mehreren Auktionen versteigert, es gab auch Sachspenden an karitative Organisationen sowie Forschungseinrichtungen.

Lifebrain, Inventar
Das Lifebrain-Inventar wurde in mehreren Auktionen versteigert.
Foto: Stefanie Rachbauer

Bis zu 450.000 PCR-Tests pro Tag ausgewertet

Die Entwicklung zu einem der nach Eigenangaben größten Covid-Testlabore Europas war bemerkenswert: Erst Mitte Dezember 2020 wurde das Lifebrain-Labor in der Klinik Penzing eröffnet, etwas mehr als ein Jahr später wurden rund 1.700 Mitarbeitende beschäftigt. Die Tätigkeiten wurden auf gleich fünf Pavillons ausgebaut. In der Hochphase Anfang 2022 wurden täglich rund 450.000 PCR-Tests ausgewertet. Applaus für die Tätigkeiten von Lifebrain kam unter anderem von Spitzenvertretern der Wiener SPÖ.

Anfang 2023 waren nur noch 600 Mitarbeitende bei Lifebrain, die etwa 30.000 Gurgeltests pro Tag auswerteten. Die verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren dann mangels Bedarfd an weiteren Covid-Tests sukzessive ihre Jobs. Ein Sprecher von Lifebrain verwies aber darauf, dass der überwiegende Großteil des gut ausgebildeten Personals Nachfolgejobs erhalten habe. So boten etwa die Wiener Linien aufgrund des Personalmangels den Lifebrain-Mitarbeitenden aktiv Jobs an, die Firma selbst unterstützte bei der Vermittlung an andere Unternehmen.

Im Februar 2022 war aber auch noch die Rede davon, dass Lifebrain von Corona-Tests auf genetische Untersuchungen umsatteln könnte. Michael Havel, der Chef des Laborbetreibers, plante ein genetisches Kompetenzzentrum in der Bundeshauptstadt und rechnete damit, die Labortätigkeiten in Wien aufrechterhalten zu können. Diese Ankündigungen haben sich aber zerschlagen. In Italien ist Lifebrain allerdings weiterhin tätig, hieß es vom Unternehmen.

Lifebrain, Wien, Tests, Corona
In der Hochphase waren 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Lifebrain tätig. Nach Angaben des Unternehmens hat ein Großteil des Ex-Personals Folgejobs in anderen Firmen erhalten.
AFP

Milliardenausgaben für Covid-Tests in Österreich

Für Lifebrain war die Corona-Pandemie ein Geschäft: Von österreichweit durchgeführten rund 105 Millionen PCR-Tests wurden knapp 60 Prozent von Marktführer Lifebrain ausgewertet. Bei den hunderten Millionen Antigentests sicherten sich hingegen andere Unternehmen ihre Anteile. Allein bis Ende 2022 kosteten alle Covid-Tests in Österreich mindestens 5,2 Milliarden Euro. In einem aktuellen Rechnungshofbericht monierten die Prüfer eine fehlende Teststrategie und dass der konkreten Nutzen der vielen Angebote unklar sei.

Lifebrain selbst hielt sich bei Nachfragen zu Umsätzen und Gewinnen immer bedeckt – und verwies seinerseits auf Investitionen in Höhe von 65 Millionen Euro in den Laborstandort in Penzing. Laut einer Analyse der Unternehmensberatung EFS Consulting hat Lifebrain von den öffentlichen Aufträgen für die Tests durchaus profitiert: So kam das Unternehmen in den Jahren 2020 bis 2022 auf ein Vergabevolumen von 1,4 Milliarden Euro.

Covid-Testlabor Artichoke insolvent

Das Ende der Pandemie und das Aus der großflächigen Testungen hat auch auf weitere Großlabore Auswirkungen: So meldete die Artichoke Biotech GmbH mit Sitz in Göstling an der Ybbs vergangene Woche Insolvenz an, wie der KSV 1870 berichtete. Bekannt wurde die Firma vor allem mit ihrer Initiative "Covid Fighters". Das Unternehmen setzte sich auch mehrmals bei Ausschreibungen für großflächige Schultests durch: Das Bildungsministerium vergab die PCR-Testung an 2.900 Schulstandorten in Österreich an dieses Unternehmen mit ÖVP-Nähe. Eine Vergabe an Artichoke wurde vom Bundesverwaltungsgericht aber als rechtswidrig eingestuft, weil der Auftrag nachträglich verändert worden war: Das Bildungsministerium wurde mit einer 500.000-Euro-Geldbuße belegt.

Nach den Angaben der Firma im Insolvenzantrag erhielt die Schuldnerin den Zuschlag für die Schultests im Schuljahr 2022/23. Gleichzeitig war diese damit verpflichtet, "die Leistungsbereitschaft für bis zu fünf Millionen Testungen pro Woche herzustellen". Das Personal wurde auf 190 Personen aufgestockt und ein neues Großraumlabor in Mödling eingerichtet. "Aufgrund der Entschärfung der Corona-Situation wurden jedoch die Schultestungen seitens des Vertragspartners nicht mehr abgerufen", hielt Artichoke fest. Dies führte nach Eigenangaben zu "massiven monatlichen Vorhaltekosten", die Liquidität des Unternehmens sei "massiv beeinträchtigt" worden.

Covid Fighters, Corona, Antigentests
Unter der Initiative "Covid Fighters" wurden von Artichoke Tests in mobilen Container-Laboren durchgeführt. Auch in Abwassertestungen in Kläranlagen in Österreich war das Unternehmen involviert.
COVID Fighters

Zwar sei versucht worden, neue Projekte zu entwickeln, der Personalstand sei drastisch gekürzt worden. Wegen der fehlenden Liquidität und einer gescheiterten Bankfinanzierung hätten aber nun "die Konsequenzen in Form des vorliegenden Konkursantrags gezogen werden" müssen. Eine Fortführung des Unternehmens ist nach Angaben der Schuldnerin nicht möglich, der Betrieb werde "im Rahmen des Insolzverfahrens zu liquidieren sein".

Die Passiva werden mit 5,1 Millionen Euro beziffert, die Aktiva mit rund drei Millionen Euro, wobei aber offene Forderungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro strittig sind. 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen, es gibt rund 50 Gläubiger. (David Krutzler, 29.8.2023)