Aufnahme des Markusplatzes
Der Markusplatz am Montag.
EPA/ANDREA MEROLA

Venedig/Ljubljana – "Was wir hier gerade erleben, sind Phänomene, die wir noch bis vor kurzem für unmöglich gehalten hatten", betont Alvise Papa, Direktor des kommunalen Zentrums für Hochwasser in Venedig. Im August Hochwasseralarm ausrufen? Das ist seit dem Jahr 1872 – also in den vergangenen 151 Jahren – nur vier Mal vorgekommen.

Jetzt werde man sich an solche Situationen wohl gewöhnen müssen: "Schon im vergangenen Jahr hatten wir im August einen Rekordwert von 102 Zentimetern über Normalpegel gemessen, heute Dienstag sind wir bei 115 Zentimetern angelangt." Der Grund für diese außergewöhnliche Situation seien die aktuellen Unwetter und die immer häufiger werdenden Extremwetterereignisse im Mittelmeerraum sowie der Anstieg des Meeresspiegels. Mit anderen Worten: der Klimawandel.

Zum Glück gibt es nun immerhin "Mose". Bei dem im Jahr 2020 in Betrieb genommenen Modulo Sperimentale Elettromeccanico handelt es sich um im Meeresgrund verankerte Stahltanks, die bei drohendem Hochwasser mit Druckluft gefüllt werden und sich aufrichten. Das milliardenteure Bauwerk wurde bei den drei Laguneneingängen Bocca di Lido, Bocca di Malamocco und Bocca di Chioggia realisiert und hindern das Meerwasser am Eindringen in die Lagune.

Alarm bei 90 Zentimetern

Damit kann die Unesco-Weltkulturerbestadt Venedig zuverlässig vor dem Hochwasser geschützt werden. Normalerweise wird "Mose" erst bei einem Pegel von 120 Zentimetern aktiviert; als Vorsichtsmaßnahme wurden die Laguneneingänge am Montagabend aber schon beim Pegelstand von 90 Zentimetern geschlossen.

Trotz "Mose" stehen ein Teil des berühmten Markusplatzes und die am tiefsten liegenden Stadtteile Venedigs bei Hochwasser jeweils einige Zentimeter unter Wasser. Doch das ist von den Stadtbehörden und auch von der Zentralregierung in Rom durchaus gewollt. Denn "Mose" stellt die Behörden vor ein Dilemma: Erstens kostet jeder Einsatz rund 300.000 Euro, und zweitens werden mit der Schließung der Lagune die Schiffe ausgesperrt: Bei den Eingängen bilden sich regelrechte Staus.

Um den Einsatz der mobilen Hochwasserschutzwände zu beschränken, hat man sich auf den Grenzwert von 120 Zentimetern geeinigt; zu Beginn lag dieser noch bei 130 Zentimetern. Dass "Mose" an diesem Montag bereits bei 90 Zentimetern aktiviert wurde, liegt daran, dass im vergangenen Mai nach dem – vermeintlichen – Ende der Hochwassersaison wie jedes Jahr die mobilen Hochwasserstege in der Stadt und auf dem Markusplatz abmontiert wurden.

Schwere Unwetter in Norditalien

Norditalien wird seit dem Wochenende erneut von schweren Unwettern heimgesucht. Insbesondere die Regionen Lombardei, Ligurien und Piemont mit ihren Hauptstädten Mailand, Genua und Turin waren von heftigen Regenfällen, Hagel und starkem Wind betroffen. Die Unwetter sorgten in den Regionen für Überschwemmungen und Erdrutsche, Stromausfälle waren die Folge. Die Zugverbindung zwischen Ventimiglia in Italien und Nizza in Frankreich wurde durch einen Erdrutsch unterbrochen. Auch der Tourismus ist von den Regenfällen in Mitleidenschaft gezogen worden. So stand am Gardasee auf Campingplätzen das Wasser teilweise knöchelhoch.

Probleme auch in Slowenien

Unwetter verursachten auch in Slowenien zahlreiche Probleme, das befürchtete Worst-Case-Szenario ist jedoch nicht eingetreten. Im Norden des Landes, das Anfang August von katastrophalen Überschwemmungen heimgesucht worden war, wurden einige Familien wegen drohender Erdrutschungen vorsichtshalber evakuiert, die Nacht verlief laut Medienberichten im ganzen Land relativ ruhig.

In den betroffenen Flutregionen war die Wetterprognose bereits mit Sorgen erwartet worden. Die Umweltagentur Arso hatte am Montag Warnstufe Rot ausgegeben. Trotz starker Niederschläge traten die befürchteten größeren Hochwasser in den Regionen Koroška und Gorenjska nicht ein: Die Einsatzkräfte mussten zu einigen überfluteten Kellern und kleineren Murenabgängen ausrücken. Schwierigkeiten bereitete den Helfern vor allem, einige Straßenverbindungen wiederherzustellen, mehrere Straßen in Koroška blieben wegen Schäden und Muren am Dienstag gesperrt.

Verkehrschaos in Ljubljana

Überflutete Straßen sorgten am Montagnachmittag in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana für Verkehrschaos. Mehrere Unterführungen standen unter Wasser, an drei Stellen mussten Insassen aus stecken gebliebenen Fahrzeugen gerettet werden. Allein in Ljubljana gab es bis Abend mehr als 60 Feuerwehreinsätze.

Heftige Niederschläge und starker Wind verursachten auch große Probleme an der Küste sowie im Westen des Landes. Teile der Küstenstädte Izola und Koper wurden überflutet, starke Windböen ließen Bäume umstürzen und deckten Dächer ab. In Koper wurde ein Feuerwehrmann während eines Einsatzes von einem Blitz getroffen und musste reanimiert werden, berichteten die Medien.

Obwohl sich die Lage über Nacht entspannt hat, gab es am Dienstag noch keine Entwarnung. Durch die Fortsetzung der Niederschläge werden die Flüsse, insbesondere im Norden und Osten des Landes, weiterhin ansteigen, Überschwemmungen sind möglich, mahnte die Umweltagentur Arso. Es besteht außerdem die Gefahr von neuen bzw. der Reaktivierung von bereits bestehenden Erdrutschen. (Dominik Straub, APA, 29.8.2023)