Wasser wird auf ein Bild des japanischen Premierministers Fumio Kishida geschüttet.
Wasser wird auf ein Bild des japanischen Premierministers Fumio Kishida geschüttet.
EPA/DANIEL CENG

"Verschwindet von diesem Planeten, japanische Teufel!", postete ein wütender User zum Beispiel am Montag. Der Anlass klingt zunächst nachvollziehbar, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen als politisch brisantes Manöver. Was war geschehen? Seit Donnerstag vergangener Woche hatte der japanische Atomkraftwerkbetreiber Tepco begonnen, aufbereitete Kühlwasser aus der Atomruine Fukushima in den Pazifik zu leiten. Bereits vorab hatte die chinesische Regierung massiv gegen das Vorhaben protestiert.

Tepco und die japanische Regierung versicherten dagegen, dass das Abwasser so stark mit Meerwasser verdünnt ist, dass es weniger als einem Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm entspricht. Auch internationale Experten haben den Vorgang als weitgehend ungefährlich und unbedenklich bestätigt. Die japanische Regierung hatte zudem darauf hingewiesen, dass die Menge und Konzentration von aufbereitetem Kühlwasser, das chinesische Reaktoren ins Meer leiten, höher ist als die von Fukushima.

"Umweltterrorismus"

Doch seit Wochen schimpfen chinesische Medien mit teils scharfer Rhetorik auf Japan. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua sprach von einem "Verrat". Die Tageszeitung "Global Times" zitierte einen Experten mit den Worten, Japan verübe "Umweltterrorismus". Die Berichte zeigen Wirkung. In zwei chinesischen Städten wurden Steine und Eier auf japanische Schulen geworfen. Blogger rufen zum Boykott japanischer Produkte auf. Peking hatte bereits einen Importstopp von sämtlichen Fischprodukten und Meeresfrüchten aus japanischem Fischfang verhängt.

Selbst Firmen und Institutionen innerhalb Japans, darunter die Konzerthalle in Tokio, erhalten derzeit Anrufe von erbosten Chinesen, und zwar in einer Häufigkeit, dass normale Operationen nur schwer aufrechtzuerhalten seien – weswegen der stellvertretende Außenminister den chinesischen Botschafter einbestellte. Und das japanische Außenministerium hat seinen Staatsbürgern in China empfohlen, auf der Straße nicht Japanisch zu sprechen oder sich sonst irgendwie als Japaner zu erkennen zu geben.

In Peking werden japanische Produkte boykottiert. Auf dem Schild steht: "Verkaufaller aus Japan eingeführten Fischprodukte wird ausgesetzt."
AFP/PEDRO PARDO

Mittlerweile haben die Proteste ein Ausmaß angenommen, das die Wirtschaftsbeziehungen beider Staaten gefährdet. Anfang Oktober findet in China die "Goldene Woche", die zweitwichtigste Ferienzeit im Land, statt. Nach den Jahren der Corona-Restriktionen hatte man in Japan eigentlich eine große Zahl von Touristen vom chinesischen Festland erwartet. Viele dürften nun aus Protest nicht kommen.

Chinas Regierung mobilisiert

Dass die chinesische Regierung den Volkszorn gegen Japan hin und wieder anstachelt, ist nichts Neues. Als es 2012 zum Beispiel mit Tokio zum Streit um die unbewohnte Inselgruppe der Senkaku, auf Chinesisch Diaoyu-Inseln, kam, begannen wütende Bürger japanische Autos zu beschädigen. In zahlreichen Städten kam es zu antijapanischen Protesten. Das Problem mit dieser Art der Politik ist nur: Sie spielt mit dem Feuer. 2012 wurde es der chinesischen Regierung zu heiß, als die nationalistischen Demonstrationen außer Kontrolle zu geraten drohten.

Hinter all dem aber stehen auch historische Altlasten. Japan hat China nie für die furchtbaren Verbrechen während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg um Entschuldigung gebeten. Gleichzeitig facht die Regierung in Peking die historischen Ressentiments gegen Japan immer wieder an.

Im Atomkraftwerk von Fukushima war es im März 2011 durch ein Erdbeben und einen dadurch ausgelösten Tsunami zu einer Kernschmelze gekommen. Seitdem müssen die Reaktoren mit Wasser gekühlt werden. Der Platz für die Lagerung des radioaktiv belasteten Wassers ist nun knapp geworden, weshalb Betreiber Tepco keine andere Möglichkeit mehr sieht, als dieses in den Pazifik abzuleiten. (Philipp Mattheis, 29.8.2023)

Japan leitet Wasser aus Akw Fukushima in den Pazifik
In Japan hat die umstrittene Einleitung von aufbereitetem Kühlwasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima in den Pazifik begonnen. Die Betreiberfirma Tepco veröffentlichte Bilder, die den Beginn des Auslasses zeigen.
AFP