Teslas Model Y ist so lang, dass es über die Markierungen der hauseigenen Parkplätze in der Gigafactory Grünheide, Deutschland, ragt.
IMAGO/Jochen Eckel

Vor zwanzig Jahren standen rund vier Millionen Autos in den Garagen des Landes und an Fahrbahnrändern, und manchmal wurden sie auch über die Straßen bewegt. Bis heute hat sich der Bestand an Personenkraftwagen nicht unwesentlich auf 5,2 Millionen erhöht.

Bedenken macht das wegen der klimaschädlichen Emissionen in Zeiten der Erderhitzung – aber nicht nur. Auch der Flächenverbrauch nimmt zu, denn neben ihrer reinen Zahl wächst auch die Größe der Pkws. 2004 befanden sich in den Top Ten der meistzugelassenen Automodelle Österreichs drei Klein- und fünf Kompaktwagen, je ein Mittelklassewagen und ein Minivan. Heute sind fast die Hälfte der Fahrzeuge auf der Liste große SUVs.

Großer Urenkel

Der VW Golf, damals in seiner fünften Baureihe erhältlich, stand 2004 ganz oben in den Charts. Im Basismodell war er mit einer Länge von 4,2 Metern und einer Breite von 1,76 Metern ein Auto mittlerer Größe. Sein Urenkel, der Golf VIII, findet sich zwar auch heute noch in den Top Ten, ist dort mit 4,28 mal 1,79 Metern allerdings das mit Abstand kleinste Vehikel.

Es gibt also zwei parallele Entwicklungen: Einerseits werden innerhalb der Baureihen, einem ungeschriebenen Gesetz gleich, die Nachfolgemodelle stets größer. Wer seiner Marke und seinem Typ treu bleibt, beansprucht also mit jeder Generation automatisch mehr Platz auf der Straße.

Der 3er ist der neue 7er

Das ist freilich kein neues Phänomen. Der erste 7er-BMW kam 1977 mit einer Länge von 4,86 Metern auf den Markt, und sein 1986 erschienener Nachfolger war bereits fünf Zentimeter länger. Die 1992 erschienene dritte Generation verlängerte sich um weitere sieben Zentimeter. Visuell durchexerziert haben wir das bereits 2019.

Heute ist selbst der 3er-BMW in der Kombiausführung annähernd so lang wie der Ur-7er. Nominell liegen natürlich zwei Klassen dazwischen. Beobachten lässt sich dieser Trend aber nicht nur bei den Deutschen, auch jeder Franzose, Italiener, Japaner oder Südkoreaner hält sich streng an die Regel.

Sieben ungestapelte Bierkisten mehr

Doch nicht nur die Evolutionsstufen lassen einzelne Modelle ständig größer ausfallen. Es drängen auch insgesamt immer größere Autos in die Verkaufsränge, und die Kleinwagen sacken ab. Das belegen die Zulassungszahlen der Statistik Austria.

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DER STANDARD

Jeden Monat wird eine Liste der zehn am häufigsten neu angemeldeten Fahrzeugmodelle veröffentlicht, und daraus lässt sich das allgemeine Wachstum gut nachverfolgen (siehe Grafik oben). Der durchschnittliche Wagen auf dieser Liste beanspruchte im Jahr 2004 eine Fläche von 7,18 Quadratmetern, wenn man jeweils die Länge mit der Breite der Basisversion multipliziert. (Nicht berücksichtigt sind in dieser Rechnung die ausgeklappten Seitenspiegel oder die Fläche, die zum Öffnen der Türen sowie zum Ein- und Ausparken verbraucht wird.)

Bis 2023 wuchs dieser Wert auf bereits auf 8,01 Quadratmeter. Das sind rund sieben Getränkekisten Differenz, die auf einem Parkplatz zusätzlich unterkommen müssen. Ungestapelt, versteht sich.

Die Acht-Quadratmeter-Schwelle übertraf 2004 der Audi A4 als einziger Top-Ten-Pkw; im ersten Halbjahr 2023 waren es derer bereits sechs: Škoda Octavia, Seat Ateca, VW Tiguan, VW Caddy, BMW X1 und der über neun Quadratmeter große Elektrokoloss Tesla Model Y.

Mit dem Ateca, dem Tiguan, dem X1 und dem vergleichsweise kleinen Seat Arona (7,37 Quadratmeter) befinden sich heuer erstmals vier SUVs unter den zehn meistverkauften Modellen. In den Jahren davor waren es relativ konstant ein bis zwei Vertreter der von Kritikern gern "Stadtpanzer" geheißenen Sport Utility Vehicles. Aber auch in diesen Jahren nahm der durchschnittliche Fahrzeuggrundriss zu – was daran liegt, dass bei weitem nicht nur SUVs zur Expansion neigen.

Denn auch groß geratene Vertreter anderer Segmente wie Kombi oder Transporter schafften es in letzter Zeit zu Kassenschlagern: Škoda verkauft den Octavia wie warme Semmeln und brach 2019 erstmals die Golf-Dominanz auf dem obersten Podest. Und langsam, aber stetig kletterte selbst der VW Bus höher in der Liste der meistverkauften Pkws. Da hilft es auch nicht, dass sich immer wieder Kleinstfahrzeuge wie der Fiat 500 (der aber selbst mit jeder Überarbeitung größer wurde) in die Charts schummeln.

Die Golftasche quer reinlegen

Stellt sich die Frage, ob es sich hier um ein Henne-Ei-Problem handelt. Bauen die Fabrikanten immer größere Boliden, weil die Kundschaft sie nachfragt und bereitwillig kauft? Oder nehmen die Fahrzeughalter die Gigantomanie lediglich in Kauf, würden aber gern auf scheinbar immer enger werdende Parklücken verzichten, wenn es nur ein besseres Angebot oder Preis-Leistungs-Verhältnis bei Kleinwagen gäbe?

Laut Klaus Edelsbrunner, Obmann des Bundesgremiums Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer, ist die Frage leicht zu beantworten: "Der Bedarf ist da, die Anforderungen der Kunden sind mitgewachsen." Einerseits sind das Anforderungen an die Sicherheit. Die feisten Knautschzonen erhöhen den Insassenschutz tatsächlich. Mindestens genauso wichtig sei aber die Bequemlichkeit. Früher kam man mit dem Platz in Limousinen, der heute in der Kompaktklasse als zu gering erachtet würde, gut zurecht, sagt Edelsbrunner.

"Man ist draufgekommen, dass mehr Beinfreiheit in der zweiten Reihe doch bequem wäre, und das Kofferraumvolumen ist vor allem wegen der Freizeitentwicklung gewachsen: Man will auch das E-Bike unterbringen oder die Golftasche quer reinlegen", erklärt der Handelsobmann. "Das ist der Maßstab für die Autohersteller, und den wollen sie auch erfüllen."

Absehbar sei eine Trendumkehr in nächster Zeit nicht. Es lasse sich eher beobachten, dass die Abmessungen der Parkplätze in Einkaufszentren größer dimensioniert ausfallen, als dass die Autos wieder kürzer und schmäler würden, sagt Edelsbrunner. (Michael Matzenberger, 18.9.2023)