Für rund 20.000 Wiener Kinder ist es so weit: Das erste Mal drücken die Taferlklasslerinnen und Taferlklassler ab sofort die Schulbank. Doch um fürs Leben lernen zu können, müssen sie erst einmal in die Schule kommen. Der STANDARD hat die wichtigsten Tipps für den Schulweg von A wie ausprobieren bis Z wie zu Fuß gesammelt

Den Schulweg sollten Kinder mehrfach üben, bevor sie ihn alleine antreten.
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Ausprobieren: Üben, üben, üben. Eltern sollten mit ihren Kindern zu Schulbeginn den Weg dorthin oft gemeinsam gehen – und sich auch von den Kindern führen lassen. "Es braucht sechs bis zehn Wiederholungen, bis alle Gefahrensituationen auf dem Schulweg auch als solche erkannt werden", erklärt ARBÖ-Verkehrspsychologin Patricia Prunner.

Back to school: In Wien starten am Montag 242.000 Kinder und Jugendliche in das neue Schuljahr. Darunter sind auch 20.000 Taferlklassler, die zum ersten Mal ihren Weg zur Schule aufnehmen werden.

Chance für mehr Selbstständigkeit: Kommen Kinder zu Fuß oder mit dem Rad in die Schule, erlangen gut vorbereitete Kinder nach anfänglicher Begleitung "nach und nach wichtige Verkehrskompetenz, Selbstständigkeit und Selbstvertrauen", sagt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Je früher Verkehrssituationen geübt, wiederholt und bewältigt werden, desto sicherer bewegen sich Kinder später auch alleine im Straßenverkehr.

Distanz: Weil Taferlklassler nicht abschätzen können, wie schnell sich etwas auf sei zubewegt, sollte man die richtige Distanz für eine Querung anhand von Merkmalen erklären. Zum Beispiel: Wenn das Auto beim roten Haus ist, kannst du noch hinübergehen, danach nicht mehr.

Elterntaxis: Experten raten Eltern davon ab, ihre Kinder in der Früh mit dem Auto in die Schule zu bringen. Die sogenannten Elterntaxis würden vor der Schule den Verkehr verdichten, was wiederum gefährliche und, besonders für Kinder, unübersichtliche Situationen erzeugen kann. "Kinder sollten idealerweise zu Fuß, mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Schule geschickt werden", rät das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).

Fahrrad: Kinder unter zwölf Jahren dürfen nur unter Aufsicht einer Begleitperson, die mindestens 16 Jahre alt ist, auf öffentlichen Straßen Rad fahren. Eine Ausnahme gibt es aber: Ab der vierten Klasse Volksschule können Kinder die Radfahrprüfung ablegen. Bestehen sie diese, können sie bereits ab zehn Jahren alleine radeln. In den Verkehrsgärten der Polizei oder auf den Radübungsplätzen und im Radmotorikpark der Stadt können die Kinder ihre Fähigkeiten trainieren.

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Gefahrenstellen sind etwa nicht abgesicherte Straßenquerungen, Bereiche mit unzureichender Beleuchtung oder Sichtbehinderungen. Die Stadt Wien hat für ihre Volksschulen Schulwegpläne erstellt, auf denen insgesamt 166 derartige Gefahrenstellen markiert sind. Diese sollten Kinder wenn möglich umgehen, auch wenn es nicht der kürzeste Weg zur Schule ist.

Infrastruktur: Die Straßeninfrastruktur ist auf Erwachsene ausgelegt. "Ziel muss es sein, Städte und Gemeinden mit sicheren Bewegungsräumen auch für die schwächsten Verkehrsteilnehmenden zu gestalten", heißt es vom KFV. Um ein kindgerechtes Verkehrsumfeld zu schaffen, müssten Gefahrenstellen reduziert und Geschwindigkeiten an ein kindgerechtes Niveau angepasst werden.

Kleidung: Kinder sollten auf ihrem Weg in die Schule gut gesehen werden. Reflektorstreifen machen sie im Straßenverkehr leichter erkennbar. Gerade im Wintersemester, wenn es in der Früh noch dunkel ist, sollten Kinder sie an der Schultasche oder Kleidung tragen.

Lotsen signalisieren Lenkern von Fahrzeugen, dass Kinder die Fahrbahn überqueren wollen, und dürfen als Aufsichtspersonen so lange auf der Fahrbahn bleiben, bis die Kinder wieder auf dem Gehsteig sind.

Öffis dürfen Kinder ab sechs Jahren ohne Begleitperson nutzen. Der Erfahrung der Wiener Linien nach fahren bereits manche Taferlklassler alleine in die Schule, sofern auf der Route nicht zu oft umgestiegen werden muss. In U-Bahn-Stationen sollten Kinder am besten Stiegen benutzen – wenn es doch die Rolltreppe sein soll: Achtung, dass sich die Schuhbänder nicht verfangen, und Abstand zu anderen halten. Auf Bahnsteigen mit zwei Gleisen möglichst in der Mitte auf den Zug warten, auf solchen mit nur einem Gleis an der Wand. Auch in Straßenbahnen und Bussen wichtig: festhalten! Und vor dem Aussteigen nach links und rechts schauen. Für Schulklassen bieten die Wiener Linien kostenlose Sicherheitsworkshops an.

Roller: Mit einem Tretroller dürfen Kinder ab acht Jahren alleine zur Schule fahren. Wie beim Radfahren sollten sie auch auf dem Roller immer einen Helm tragen. Verpflichtend ist das für E-Scooter fahrende Kinder unter zwölf Jahren, bis zu diesem Alter dürfen sie auf elektrisch angetriebenen Rollern nur mit einer Begleitperson unterwegs sein.

Schulstraße: Im Herbst 2018 startete die erste Schulstraße in Wien als Pilotprojekt. An Schultagen gilt 30 Minuten vor Schulbeginn und/oder nach Unterrichtsende ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge, auf das Fahrverbotsschilder hinweisen. Mittlerweile gibt es in Wien neun Schulstraßen.

Tempo: Im Schulumfeld sollten laut Kuratorium für Verkehrssicherheit verkehrsberuhigte Zonen (Tempo 30, Begegnungszonen, Wohnstraßen) eingerichtet werden. Laut einer Geschwindigkeitserhebung fahren im Ortsgebiet bei erlaubtem Tempo 50 rund 49 Prozent der Pkw-Lenker, bei Tempo 30 sogar 72 Prozent schneller als das erlaubte Limit.

Unfälle: In den Jahren 2018 bis 2022 wurden in Wien 353 Schülerinnen und Schüler im Alter von sechs bis 15 Jahren bei 330 Unfällen verletzt, zwei wurden getötet, berichtet das Kuratorium für Verkehrssicherheit. Heuer kam es im ersten Quartal in Wien zu 19 Unfällen mit 21 verletzten Schulkindern.

Verkehrspolizisten kommen einmal im Jahr in die Klasse und sprechen mit den Schülerinnen und Schülern über das richtige Verhalten auf der Straße.

Wahrnehmung: Kinder nehmen ihre Umgebung anders wahr als Erwachsene. Zum Beispiel: die eingeschränkte Sicht. So betrachtet eine durchschnittliche Sechsjährige auf rund 110 Zentimeter Augenhöhe die Umgebung, und ihr Gesichtsfeld ist mit 70 bis 110 Grad noch deutlich enger als bei Erwachsenen mit 180 Grad. Daher muss man ein Kind vor Betreten der Fahrbahn anleiten, den Kopf hin- und herzudrehen, damit es sieht, ob ein Auto kommt.

Zu Fuß: Schulkinder ab sechs Jahren dürfen den Schulweg selbstständig zurücklegen. Wann der richtige Zeitpunkt kommt, liegt im Ermessen der Erziehungsberechtigten. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 4.9.2023)