Skulpturen von Liesl Raff im FJK3
Liebe zum Material: Liesl Raff schneidet ihreLatex-Werke in Streifen, verwebt sie zu Teppichen, drapiert sie zu wulstigen Tüchern.
Simon Veres

Wien – Noch bevor sich das Auge an der visuellen Wucht sattsehen kann, steigt ein herber Geruch in die Nase. Gummiartig, leicht beißend und zugleich anziehend. Eindeutig stammt er von den gezeigten Skulpturen, allerdings bleibt er nie gleich, ändert sich je nach Standpunkt.

Die Wiener Bildhauerin Liesl Raff ist bekannt für ihre Liebe zum Material. Ihre Arbeiten aus Latex schneidet sie in Streifen, verwebt sie zu Teppichen, drapiert sie zu wulstigen Tüchern – oder streicht sie sogar an die Wände.

Für ihre Ausstellung Liaison im Kunstraum Franz-Josefs-Kai 3 (FJK3) in Wien – die erste institutionelle Soloschau der Künstlerin in Österreich – wurden 1200 Liter Latex verwendet. Die pastelligen Wandfarben, die von der vorherigen Präsentation des britischen Künstlers Jeremy Deller geblieben waren, baute Raff in ihr Konzept ein: Durch eine insgesamt 750 Quadratmeter große milchige Latexschicht leuchten die Farben des Kollegen durch.

Die soften Skulpturen hängen, in Falten gelegt, an Fahnen- oder Vorhangstangen sowie an Seilen– und erinnern an runzelige Organe.

Menschliche Haut

In diesem Setting scheinen sich ihre vielfältigen Objekte pudelwohl zu fühlen. Bunte Streifen baumeln wie XXL-Frittaten von der Decke und erinnern an einen schlanken Oktopus, der seine Tentakel über den Boden räkelt. Im Untergeschoß formen violette, süßlich riechende Latexbänder eine kleine Bühne, auf der am 9. September ein letztes Mal der "Club Liaison" stattfindet.

Softe Skulpturen hängen, in Falten gelegt, an Fahnen- oder Vorhangstangen oder an Seilen, wie runzelige Organe. Die Assoziation mit menschlicher Haut, die wichtiger Schutz und zugleich vulnerabel ist, wird bewusst hervorgerufen. So brauchen auch die aus natürlichem Material, das durch die Verletzung der Rinde von Kautschukpflanzen gewonnen wird, hergestellten Skulpturen von Raff Pflege und müssen mit Talkum gepudert oder mit Öl eingerieben werden.

So entpuppen sich die bildhauerischen Werke der 1979 in Stuttgart geborenen Künstlerin nicht als leblose Skulpturen, sondern scheinbar lebendige Körper. (Katharina Rustler, 30.8.2023)