Künstler Edgar Honetschläger in seiner Ausstellung im Pavillon des Stifts Melk.
Gegen das Anthropozän: Edgar Honetschläger im Pavillon des Stifts Melk mit wildem Fenchel.
Jakob Brossmann

Wenn Edgar Honetschläger von seiner neuen Ausstellung erzählt, kommt er vom Hundertsten ins Tausendste. Er ärgert sich über fehlendes Bewusstsein für die Klimakatastrophe, über ausbleibende Handlungen seitens der Politik; über den Menschen und seine Grausamkeiten, die er Tieren und Natur antut. "Stellen Sie sich mal vor, jemand reißt Ihnen bei lebendigem Leib büschelweise die Haare aus!" Der Künstler und Filmemacher bezieht sich auf seine neue Installation, für die er auch das umstrittene Wärmedammmaterial Daunenfeder verwendet.

Mit seinem Beitrag im Pavillon des Stifts Melk startet am Donnerstag das Globart-Symposium "Tage der Transformation". Dort treten bis 2. September bekannte Persönlichkeiten wie die Philosophinnen Svenja Flaßpöhler und Eva von Redecker oder der Schriftsteller Ilija Trojanow auf. Im Zentrum steht die These, dass wir alle blutige Anfänger sind, wenn es um den Kampf gegen die Krisen unserer Zeit geht – allen voran den Klimawandel.

Das Thema findet Honetschläger passend, in so einer Krise stecke die Menschheit immerhin zum ersten Mal. Außerdem beschäftigt sich der gebürtige Linzer, der 1997 bei der Documenta vertreten war und dessen Filme auf internationalen Festivals laufen, seit einigen Jahren intensiv mit Umweltfragen. Er ist nicht nur Künstler, sondern auch selbsternannter Umweltaktivist. Das sei er schon immer gewesen, sagt er.

Künstlerische Utopien

Mit seiner 2018 ins Leben gerufenen Initiative "GoBugsGo" kauft er mittels Crowdfunding Land, um es der Natur, den Insekten und Vögeln zurückzugeben. Bisher wurden vier Landstriche in Österreich und Italien erworben und zu "non human zones" deklariert. "Ich wehre mich gegen das Anthropozän! Ich will nicht wahrhaben, dass der Mensch alles in der Hand hat", sagt Honetschläger. Diese Zonen sind "künstlerische Utopien" und eigendynamisches Kunstprojekt, bei dem sich aktuell 1000 Mitglieder engagieren.

Als er das Konzept vor fünf Jahren erstmals präsentierte, gab es seitens vieler Kollegen und Kolleginnen aus der Kunstszene Skepsis, erzählt er. Was denn das mit Kunst zu tun habe, so ihre Kritik. Nur ein Jahr später hielt er einen Vortrag an der Universität für angewandte Kunst, und die Studierenden hätten sich nur für die Initiative interessiert. "Die Jungen sind schon auf einem anderen Weg, auch die Kunst ist längst dort angekommen", findet er.

Installation von Edgar Honetschläger
Die Installation aus Daunenfedern, Schiffchen und Fenchel bezieht sich auf das "koloniale Paradies" der barocken Fresken.
Edgar Honetschläger

Kein Jetset-Lifestyle mehr

Dass Umweltfragen aktuell zu einem Hauptthema in der bildenden Kunst zählen, findet er großartig. Dennoch reicht es dem Künstler nicht aus, nur aufzuzeigen und zu kritisieren. "Die Kunst hat die Pflicht, darüber hinauszugehen und konkret etwas zu tun für die Natur." Kunst, die sich mit dem Thema inhaltlich beschäftigt, sei nicht genug. Solche Sätze hört man von ihm öfter: Klimaprotest sei gut, reiche aber nicht aus. Mülltrennung sei wichtig, reiche aber nicht aus. Wir stünden längst auf der Kippe.

Honetschläger selbst steigt seit einigen Jahren in kein Flugzeug mehr. "Ich kann nicht so eine Initiative gründen und dann die ganze Zeit herumfliegen", sagt er. Davor hatte er einen dramatischen CO₂-Fußabdruck, erinnert sich der 56-Jährige, der in New York, Brasilien und jahrelang in Tokio lebte. Nach der Katastrophe in Fukushima 2011 zog er wieder nach Europa, nun verbringt er die meiste Zeit in Italien.

Im Stift Melk bezieht er sich mit seiner Installation sowie seinem neuen Film Die Ameisen des Midas auf die Fresken des barocken Pavillons und das "koloniale Paradies", das darauf abgebildet ist. Auf einem Haufen aus Daunenfedern schwebt ein verlassenes Papierschiff, aus dem ein wilder Fenchel wächst. Den Titel E La Nave Va hat Honetschläger einem Film des Regisseurs Federico Fellini entliehen. Die Übersetzung kann als vage Hoffnung oder düstere Warnung interpretiert werden:_Das Schiff segelt weiter. (Katharina Rustler, 30.8.2023)