Die Herbstlohnrunde, die am 25. September mit den Kollektivvertragsverhandlungen der Maschinen- und Metallbauindustrie startet, wirft ihre Schatten voraus. Die seit Monaten sehr hohe Inflation lässt schwierige Verhandlungen erwarten. Arbeitgeber würden gerne für länger als ein Jahr abschließen, davon halten allerdings die Gewerkschaften wenig. Uneinigkeit herrscht auch darüber, ob hohe Lohnabschlüsse die allgemeine Teuerungsrate weiter befeuern.

Für Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) sind die Produzentenpreise (BIP-Deflator) bei Importpreisschocks "das geeignete Inflationsmaß" für die Lohnverhandlungen und nicht mehr "die traditionelle Benya-Formel". Ausgangspunkt für die Kollektivvertragsverhandlungen war bisher immer die Inflation des Vorjahres gemessen durch den Verbraucherpreisindex (VPI) plus das durchschnittliche Produktivitätswachstum. Durch die neue Berechnungsmethode würden die Lohnerhöhungen moderater ausfallen.Was die Gewerkschaft strikt ablehnt. "Lohn- und Gehaltsverhandlungen sind in Österreich nachgelagert. Die Löhne folgen also immer den Preisen", sagt ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth.

So wenig, wie die Gewerkschaft mit ihrer Menschenkette rund um das Parlament am 20. September demonstrieren will, dürfte die Regierung gegen die hohe Inflation doch nicht gemacht haben. Denn diverse Antiteuerungsmaßnahmen – von Stromkostenbremse bis Klima- und Antiteuerungsbonus – kompensieren einen Großteil der Einkommensverluste, die als Folge von Energiepreisschock und gestiegenen Lebensmittel- und Dienstleistungspreisen von den privaten Haushalten zu schultern waren und sind. Das attestiert die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in ihrer Analyse "Inflationsschock, Lohnfindungsprozess, Wettbewerbsfähigkeit – Aktuelle makroökonomische Herausforderungen", die soeben veröffentlicht wurde.

Ein Gießereimechaniker gießt geschmolzenes Metall in bereitgestellte Formen.
In drei Wochen beginnt der Lohnpoker der Metaller, der als richtungsweisend für andere KV-Verhandlungen gilt.
APA/Waltraud Grubitzsch

Im Jahr 2022 kompensierten die großzügigen, aber überwiegend einmaligen Fiskalmaßnahmen circa 90 Prozent der Verluste der Haushaltseinkommen. Heuer dürften es immerhin noch an die 80 Prozent sein. Damit liegen die Realeinkommen jeweils nur knapp unter Vorkrisenniveau 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie (siehe Grafik).

Staatshilfen spielen in der Lohnrunde mit

Da die meisten Antiteuerungsmaßnahmen in den kommenden Monaten auslaufen, kommt der in drei Wochen traditionell mit den Metallern beginnenden Herbstlohnrunde eine besondere Bedeutung zu. Denn diese lässt angesichts der Rekordinflation in den zurückliegenden zwölf Monaten, die der Gewerkschaft traditionell als Basis für die Lohnverhandlungen dient, reale Zuwächse bei Löhnen und Pensionen erwarten. Aufgrund dieser zwar zeitverzögerten, aber starken realen Zuwächse sei in den Jahren 2024 und 2025 "eine Erholung der Haushaltseinkommen" zu erwarten, heißt es im OeNB-Papier.

Starke Belastung für Einkommen

In den Himmel werden die Bäume bei den Einkommen dennoch nicht wachsen. Denn der durch den Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiepreisschock wirkt langfristig und führt insbesondere bei den unteren Einkommen zu starken Belastungen. Es wird also auch in den nächsten Jahren Einkommensabflüsse ins Ausland in Milliardenhöhe geben, weil ein maßgeblicher Teil der im Inland benötigten Energie importiert werden muss.

Vor diesem Hintergrund ist klar: Von selber verschwindet der Preisdruck in einer offenen Volkswirtschaft wie Österreich nicht, ein gewisser Preisdruck bleibt bestehen, zumal der zunächst importpreisbedingte Inflationsschock in Österreich durch Sektoren wie Energie. Bergbau und Wasser verstärkt wurde. Sie steigerten ihre Gewinnmargen erheblich. Im Boomjahr 2022 war der Aufholbedarf enorm, das Bruttoinlandsprodukt stieg um fast fünf Prozent – und die erwirtschafteten Unternehmensgewinne um 24 Prozent. Den stärksten Preisanstieg gab es mit 35 Prozent in Energiewirtschaft und Bergbau, gefolgt vom Bausektor (13 Prozent), der Land- und Forstwirtschaft (14 Prozent sowie Verkehr und Lagerei (4,2 Prozent). Für diese Sektoren führt die OeNB die Inflation fast zur Gänze auf den Gewinnanstieg zurück.

Unterschiedliche Entwicklung

Allerdings profitierte nicht die gesamte Industrie von dieser Entwicklung. Der Aufschwung nach der Corona-Krise war ungleich verteilt, nur wenige Sektoren konnten die Preise extrem erhöhen. Die großteils im internationalen Wettbewerb stehende und von Exporten abhängige Sachgütererzeugung konnte und kann die Kostensteigerungen (Energie, Rohstoffe) nicht ganz weiterverrechnen, sie verzeichnete 2022 teils Gewinnrückgänge von 18 Prozent. Sie nagt damit noch nicht am sprichwörtlichen Hungertuch, aber bereits für den Rest des Jahres 2023 zeichne sich ab, dass die Unternehmensgewinne schmelzen dürften.

Weitere Auswirkung: Die von Energiepreisen und Gewinnen 2022 getriebene Inflation führt in den Folgejahren zu starken Zweitrundeneffekten. Denn Löhne und Gehälter steigen ebenso wie die Wiederbeschaffungskosten für die Abschreibung des Kapitalstocks. Das dämpfe heuer und 2024 zwar Gewinne und Inflationsdruck, sie wirkten über die sogenannten Zweitrundeneffekte aber nach. Ob die Lohnfindung in Österreich gemäß Benya-Formel (Inflation der vergangenen zwölf Monate plus halber Produktivitätsfortschritt) zu einer Überkompensation des vergangenen Inflationsanstiegs führen oder eine andere Berechnungsformel dienen wird, ist Thema in der Herbstlohnrunde. (Luise Ungerboeck, 29.8.2023)