Für Silvia Hruška-Frank ist es keine Frage: FPÖ-Chef Herbert Kickl plant nichts anderes als die Abschaffung der Arbeiterkammer (AK). Einmal mehr. Neu ist die blaue Mission in der Sache, in die immer wieder auch die Pinken einstimmen, nicht: Der Parteichef hat im Gratisblatt "Heute" angekündigt, bei der Nationalratssondersitzung zur Teuerung am Mittwoch einen Antrag auf ein Aus der Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer einzubringen.

Um die Sondersitzung zu ermöglichen, machte die SPÖ gemeinsame Sache mit den Blauen, weil die Stimmen der roten Abgeordneten für die Einberufung nicht ausreichten. Bereits davor hatte FPÖ-Vize Dagmar Belakowitsch das Feld für das Thema aufbereitet und die Kammern als "Inflationsgewinnler auf Kosten ihrer Zwangsbeitragszahler, die unter Teuerung leiden und um ihre Existenz bangen", bezeichnet.

Das Bücherboot der Arbeiterkammer Kärnten – eine schwimmende Bibliothek am Wörthersee. Mit an Bord sind über 1.500 Bücher und Zeitschriften für Lesehungrige.
Schwimmt im Wasser, nicht im Geld: Das Bücherboot der Arbeiterkammer Kärnten ist eine schwimmende Bibliothek. Auch (Weiter-)Bildung ist der AK ein Anliegen.
AK_Gernot Gleiss

"Der Angriff ist ziemlich massiv", sagt AK-Direktorin Hruška-Frank auf einem eilig um einen Tag vorgezogenen Pressetermin in Wien. Zwar sei die "Sozialpartnerschaft" verfassungsrechtlich abgesichert, nicht aber die Pflichtmitgliedschaft in Wirtschafts- und Arbeiterkammer. Selbiges "ist nicht so verbrieft, dass man nicht darüber streiten kann". Dass es diese Pflichtmitgliedschaft brauche, daran besteht für Hruška-Frank kein Zweifel. "Niemand, der ganz bei Trost ist, stellt das infrage."

Hruška-Frank verweist darauf, dass hierzulande – auch dank Sozialpartnerschaft – fast alle Arbeitsverhältnisse, genau 98 Prozent, von Kollektivverträgen geregelt sind. Deutschland, wo es diese Art der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung nicht gibt, liegt in Sachen kollektivvertragliche Abdeckung weit dahinter. Einer freiwilligen Mitgliedschaft wie etwa bei ÖAMTC und ARBÖ kann die AK-Direktorin nichts abgewinnen. Die Pflichtmitgliedschaft sei systemprägend. Eine Million der vier Millionen Mitgliedern würden keine Beiträge zahlen, weil sie so wenig verdienen, dass sie nicht in die Ziehung kämen. Genau sie bräuchten aber die Beratungs- und Unterstützungsleistungen am meisten.

0,5 Prozent von Lohn und Gehalt werden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Form der Arbeiterkammerumlage zwölfmal im Jahr automatisch abgezogen, im Schnitt liegen die mit 16 Euro netto gedeckelten Mitgliedsbeiträge bei einem mittleren Einkommen demnach bei acht Euro im Monat. Dafür bekämen die Mitglieder jede Menge Beratungsleistungen, Hilfe im Kampf gegen arbeitnehmerfeindliche Regelungen und Unterstützung bei Konflikten mit den Arbeitgebern, zählt Hruška-Frank auf. Die Organisation sei leistungsfähig, besonders wenn es rascher Hilfe bedürfe, wie zuletzt im Kika-Leiner-Pleitefall oder in den Pandemiejahren davor. Das auch dank der kompetenten und engagierten AK-Beschäftigten: "Der größte Reichtum sind unsere Mitarbeiter", leitet die AK-Direktorin auf das nächste Streitthema über. Es geht wieder einmal auch ums Geld.

Schwimmen im Geld

Die Höhe der Arbeiterkammerumlage, auch sie wurde des Öfteren infrage gestellt. "Während immer mehr Menschen aufgrund der Rekordteuerung nicht mehr wissen, wie sie sich das tägliche Leben leisten können, und Betriebe an den Rand der Existenz gedrängt werden, schwimmen die SPÖ-dominierte Arbeiterkammer sowie die ÖVP-geführte Wirtschaftskammer regelrecht im Geld – und das auf Kosten ihrer Zwangsmitglieder", poltert Kickl in "Heute".

Dem blauen Parteichef stößt der Zuwachs bei den Einnahmen ebenso auf wie die Höhe der Gagen der Kammer-Spitzenfunktionäre. Hruška-Frank hat Einwände und das Zahlenwerk der AK mitgebracht. Die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen dürften heuer auf 572 Millionen Euro steigen – 2022 waren es 565,5 Millionen. Damit habe man knapp 2,2 Millionen Beratungen durchgeführt. Die Zahl der Mitglieder sei in den letzten zwanzig Jahren von drei auf vier Millionen gestiegen. Was die Höhe der Rückstellungen (gut 335 Millionen Euro) und Rücklagen (gut 192 Millionen Euro) betrifft, so sei beides angemessen und nachvollziehbar. Die Rücklagen (etwa für größere Investitionsvorhaben bei Gebäuden) beliefen sich pro Mitglied auf 48 Euro. "Von Versinken im Reichtum sind wir weit weg", urteilt Hruška-Frank.

Das betreffe im Übrigen auch sie selbst. Ihr Direktorinnengehalt (AK Wien und BAK) von 10.324 Euro netto im Monat sei "nicht aus der Art geschlagen", sagt Hruška-Frank. Und noch einen Punkt will sie nicht so stehen lassen: Die Arbeiterkammer wirtschafte schlecht und habe 5,3 Millionen Euro verspekuliert, ist sich der blaue Parteichef Kickl sicher. Tatsächlich handle es sich bei diesem in der Bilanz als "Aufwendungen aus Wertpapieren" festgeschriebenen Wert um den Buchwert abgeschriebener Anleihen, der sich aus der vorgeschriebenen konservativen Veranlagung ergeben habe. Verkauft wurden diese Anleihen bislang nicht. Doch die Show wird am Mittwoch ohnehin der Regierung gehören. Sie einigte sich noch rasch vor der Sondersitzung überraschend auf einen Mietpreisdeckel. (Regina Bruckner, 30.8.2023)