Das Logo der Wirtschaftskammer in Buchstaben aus Goldbarren – wie bei Dagobert Duck.
Die Rücklagen der Wirtschaftskammer summieren sich nach Berechnungen der Grünen Wirtschaft inzwischen auf 1,93 Milliarden Euro – deutlich mehr, als die Haushaltsordnung der gesetzlichen Interessenvertretung vorsieht.
Illustration: Oana Rotariu

Rekordhohe Energiepreise und Mieten hohe Inflation und in der Folge hohe Lohn- und Gehaltsabschlüsse sind für Österreichs Unternehmen trotz guter Wirtschaftsentwicklung im Vorjahr enorm herausfordernd. Nicht so für die Wirtschaftskammer (WKO). Die ohnehin gut gefüllten Geldspeicher der gesetzlichen Interessenvertretung füllten sich beinahe automatisch. Das erschließt sich aus dem Rechnungsabschluss 2022, den die WKO im Wirtschaftsparlament präsentierte und der dem STANDARD vorliegt.

Am höchsten sind die WKO-Einnahmen auf Bundesebene, am niedrigsten im Burgenland.
Je nach Wirtschaftsstärke im Bundesland schwanken die Einnahmen der gesetzlichen Interessenvertretung.
Illustration: Oana Rotariu

Die Rücklagen des föderal organisierten WKO-Imperiums erreichten dank steigender Lohnsummen, die das Aufkommen an Kammerumlagen in die Höhe trieben, lichte Höhen: Auf 1,924 Milliarden Euro sind die Ersparnisse der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen in den Ländern und deren Dachorganisation Bundeswirtschaftskammer (WKÖ) angeschwollen. Das ist deutlich mehr als die 1,3 Milliarden Euro an Aufwendungen*, die die WKO im Vorjahr in Summe zu stemmen hatte, um Information, Service und Interessenvertretung ihrer Mitgliedsbetriebe zu bewerkstelligen. Das geht aus einer Auswertung der Grünen Wirtschaft hervor, die die Daten aus ganz Österreich zusammengeführt und errechnet hat.

Stetiger Anstieg

Zum Vergleich: Im Corona-Jahr 2020 summierten sich die Rücklagen bereits auf 1,65 Milliarden Euro, um im Jahr darauf auf 1,78 Milliarden anzusteigen. Beide Beträge sind ist deutlich höher, als die WKO mit Verweis auf ihre eigene Haushaltsordnung als vorzuhaltende Reserve angibt. Richtwert für die Höhe der sogenannten Ausgleichsrücklage wäre demnach der Jahresbedarf für Personal und Sachkosten. Dies soll gewährleisten, dass bei unvorhergesehenen Ereignissen Einnahmenausfälle abgefangen, laufende Kosten bedient und ein allfälliger Bilanzverlust abgedeckt werden kann – diesfalls eben aus dem Rücklagentopf.

In der Pandemie, als tausende Unternehmerinnen und Unternehmer um ihr Fortkommen bangten, lief es dann allerdings anders. Die Kammerbeiträge wurden lediglich gestundet, die Unternehmen mussten nachzahlen - und die Einnahmen waren somit gesichert.

Reserve höher als Aufwand

Auch Energie- und Teuerungskrise hinterließen kaum sichtbare Spuren in der Kammerbilanz. Die Einnahmen der weitverzweigten Kammerorganisation übersteigt der größer werdende Vorratsspeicher inzwischen bei weitem. 1,276 Milliarden Euro fließen den Wirtschaftskammern seitens ihrer Pflichtmitglieder über verschiedene Ebenen des dreistufigen Finanzierungsmodells zu. Der Vorratsspeicher übersteigt diese Einnahmen somit um 151 Prozent. Im Verhältnis zu den Aufwendungen ist der Unterschied mit 174 Prozent noch deutlicher.

"Obszön" nennt die Vorsitzende der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, dieses Horten von Rücklagen. Sie drängt auf Senkung der Kammerumlage 2 (siehe Wissen)und Reformen. Der aufgeblähte Apparat sei abzuspecken. Würden in Oberösterreich und der Steiermark nicht Bauprojekte umgesetzt, für die massiv Rücklagen aufgelöst wurden, wären die Rücklagen der Kammer der Zwei-Milliarden-Marke noch näher gekommen, rechnet Jungwirth vor.

Sanierung und Verbesserungen

In der Bundeswirtschaftskammer lässt man diese Rechnung erwartungsgemäß nicht gelten. Man verweist im Finanzbericht auf das nach der Pandemie wieder erweiterte Service- und Leistungsangebot einerseits und auf anstehende Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen bei der Infrastruktur des WKO-Auslandsnetzwerks. Auch die Wirtschaftsentwicklung sei nach der Pandemie überraschend rasch gut gewesen. "Hier werden sehr laienhaft und tendenziös gebundenes Kapital wie Liegenschaften – etwa Ausbildungseinrichtungen des Wifi oder Büros der Außenwirtschaftsorganisation im Ausland – mit finanziellen Rücklagen vermischt, die aufgrund von rechtlichen Vorgaben für bestimmte Zwecke zu bilden sind", heißt es in der Pressestelle von Kammerpräsident Harald Mahrer. Die Ausgleichsrücklage diene dazu, auch bei stark schwankenden Erträgen oder Aufwendungen die Aufrechterhaltung des vollen Leistungsangebots für die Mitglieder sicherzustellen. Die 1,9 Milliarden Euro seien nicht nachvollziehbar, es könne sich dabei keinesfalls um die Summe der Ausgleichsrücklagen handeln, diese seien deutlich niedriger.

Der kammereigene Kontrollausschuss, quasi der Rechnungshof der WKO, sieht das anders: "Für eine Analyse der wirtschaftlichen Gesamtsituation ist es notwendig, neben den Ausgleichsrücklagen auch die frei disponiblen Rücklagen mit einzubeziehen. Zusammen ergibt dies das ,disponible Vermögen‘." (Luise Ungerboeck, 20.7.2023)