Salomonen Meeresspiegel Anstieg
Der Inselstaat der Salomonen ist stark vom steigenden Pegel betroffen.
Simon Albert

Fast überall auf der Erde steigt der Meeresspiegel. Wenn die CO2-Emissionen weiterhin hoch bleiben und sich der Globus um durchschnittlich drei bis vier Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt, dürfte der Pegel bis zum Jahr 2100 um etwa 70 Zentimeter höher liegen. Das prognostiziert der Weltklimarat (IPCC) in seinem aktuellen Bericht. Die US-Weltraumagentur Nasa zeigt basierend auf diesen Daten in ihrem Sea Level Projection Tool auf einer Weltkarte, welche regionalen Unterschiede sich ergeben, wie DER STANDARD hier an einigen Beispielen zeigte: Während der Grundpegel in Venedig demnach um 68 Zentimeter höher liegen würde, würde er in der US-amerikanischen Stadt New Orleans teils sogar um etwa 1,40 Meter steigen.

Meeresspiegel Anstieg Klimawandel Louisiana USA
Die Grafik, der die Visualisierung von Climate Central zugrunde liegt, zeigt die Region um New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana. Die rot markierten Bereiche lägen beim im Text beschriebenen Szenario für 2100 unter Wasser. Schutzeinrichtungen wie Deiche und Mauern wurden miteinberechnet.
Fatih Aydogdu, NASA IPCC AR6 Sea Level Projection Tool, MapTiler, OpenStreetMap contributors, Climate Central, Google Earth / Landsat / Copernicus Data SIO / NOAA / U.S. Navy / NGA / GEBCO

Nicht an jedem betroffenen Ort kann man Schutzwälle bauen oder Küstenschutzsysteme wie das venezianische Mose einrichten, das aufgrund schwerer Unwetter auch aktuell eingesetzt wird. Außerdem wirken sich solche Maßnahmen oft negativ auf die Ökosysteme aus und können sogar für mehr Probleme bei Naturkatastrophen sorgen, als sie eigentlich abhalten sollten – etwa wenn Mangrovenbäume zugunsten von Mauern gefällt werden.

Wie viele Gebiete anfällig sind, ist nicht so leicht zu sagen. Neue Daten liefert eine umfassende Analyse eines Forschungsteams um Umweltwissenschafter Neil Saintilan, der an der Macquarie University im australischen Sydney und an der Universität Hamburg forscht. Darin wurde untersucht, wie stark rund 900 Korallenriffinseln, 500 Gezeitensümpfe und 200 Mangroven-Ökosysteme auf der ganzen Welt gefährdet sind. Wie die Arbeit im Fachjournal "Nature" deutlich macht, könnten Küstenökosysteme bereits bei einer globalen Erhitzung um 1,5 Grad untergehen.

Solomonen Meeresspiegel Anstieg
Schon in den kommenden Jahren könnte die 1,5-Grad-Schwelle in einzelnen heißen Jahren im Jahresdurchschnitt übertroffen werden.
Simon Albert

Wenn Strand verschwindet

Das kann auch Millionen Menschen zum Verhängnis werden, die auf die Intaktheit dieser Gebiete angewiesen sind. Von Mangrovenwäldern über Korallenriffe bis hin zu Seegraswiesen gibt es unterschiedliche Ökosysteme, die etwa dazu beitragen, das Land bei Hochwasser zu schützen und Kohlenstoff zu binden. Dass der Pegel an natürlichen Riffen und Küsten in hohem Tempo steigt, führt zu größeren Problemen, als vielen Menschen bewusst ist. Darunter kann beispielsweise die Stabilität leiden: "Mangroven und Gezeitensümpfe fungieren als Puffer zwischen dem Meer und dem Land", sagt Saintilan, "sie absorbieren die Auswirkungen des Wellenschlags, verhindern Erosion und sind für die Artenvielfalt der Fischerei und der Küstenpflanzen von entscheidender Bedeutung."

Solomonen Erosion Meeresspiegelanstieg
Von vielen Inseln wird in Zukunft kaum mehr etwas übrig sein.
Simon Albert

Die Zahlen, die die Studie liefert, sind beachtlich. Das zeigt sich etwa bei den Prognosen für kartierte Gezeitensümpfe. Bei diesem Schwemmland, das auch als Marsch bezeichnet wird, handelt es sich um bestimmte Gebiete an Küsten und Flüssen, die bei den Schwankungen zwischen Ebbe und Flut zeitweise überschwemmt werden. In der Studie zeigte sich: Bei einer Erwärmung um zwei Grad würde sich die Fläche an Gezeitensümpfen, bei denen der Meeresspiegel pro Jahr um vier Millimeter steigt, bis zum Zeitraum 2080–2100 verdoppeln.

Atlantik Marschland USA
Auch an der US-amerikanischen Atlantikküste wird Marschland in größerem Ausmaß überschwemmt.
Tor Tornqvist

Bei einer globalen Erwärmung von mehr als 1,5 bis 2 Grad Celsius würden Korallenriffinseln "verschwinden, wenn die Wellen die sie schützenden Korallenriffe überspülen", sagte Studienautor Simon Albert von der University of Queensland. Noch drastischer wäre die Entwicklung bei drei Grad mehr als im vorindustriellen Zeitalter. Dann wären dem Modell zufolge nahezu alle Mangrovenwälder und Korallenriffinseln einem jährlichen Pegelanstieg um mehr als sieben Millimeter ausgesetzt. Auch auf 40 Prozent der kartierten Gezeitensümpfe würde das zutreffen. Bei einem so schnellen Anstieg "wird es wahrscheinlich, dass Riffinseln durch verstärkte Küstenerosion und Wellenüberlauf destabilisiert werden", heißt es in der Studie. Außerdem werden Mangroven und Marschland dann mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft überflutet.

Warum der Meeresspiegel steigt

Unterschiedliche Faktoren tragen dazu bei, dass der Wasserpegel mit fortschreitender globaler Erhitzung steigt. Dazu gehört die Tatsache, dass sich das Wasser der Ozeane mit steigenden Temperaturen ausdehnt. Die Meere haben mehr als 90 Prozent der Wärmeenergie aufgenommen, die durch die Klimaerwärmung freigeworden ist. Zudem schmelzen Gletscher ab, beispielsweise in Grönland, und bringen mehr Flüssigkeit in das Wassersystem.

Feuchtland Erosion Strand Sydney Australien
Die Erosion von Stränden und Feuchtgebieten schreitet voran.
Neil Saintilan

Auch historische Eisverluste spielten in der Studie eine Rolle: Sie beschreibt auch, wie sich die Küstenlebensräume nach dem Ende der letzten Kaltzeit zurückgezogen und angepasst haben. Vor etwa 17.000 Jahren lag der Meeresspiegel um 120 Meter niedriger als heute. Durch das Abschmelzen immenser Eismassen stieg der Pegel im Durchschnitt um einen Meter pro Jahrhundert, was für die Ökosysteme an den Küsten verheerende Folgen hatte. Sie brauchten Tausende von Jahren, um sich zu erholen.

Während in anderen Aspekten, die der Klimawandel verändert, in einem gewissen Rahmen Anpassungen möglich und wichtig sind, ist dies hier schwieriger. Das Studienteam betont: Das wirksamste Mittel, um die Störung dieser wichtigen Ökosysteme zu minimieren, ist das Einhalten des Pariser Klimaabkommens. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten die Emissionen auf null gesenkt werden. (sic, 31.8.2023)