John Lydon
John Lydon (Zweiter von rechts) und Public Image Ltd. sind immer noch äußerst unzufrieden mit der Gesamtsituation.
Public Image Ltd.

Es gibt da einen Film mit Karl Valentin, in dem der bayerische Komiker frisch in die Abstimmung des Gemeinderats seines Dorfs platzt und schreit: "Ich bin dagegen!" Auf den Einwand, er wisse ja nicht einmal, um was es gerade gehe, antwortet er: "Des i mir wurscht, i bin dagegen!"

Mit dieser Einstellung macht John Lydon immer noch Karriere. Gerade hat er mit Public Image Ltd. ein neues Album namens End of World veröffentlicht. Auch in neuen Songs wie Being Stupid Again wird kräftig am Watschenbaum gerüttelt und beherzt gegen Konventionen angegeifert: "Ban the bomb, save the whale, give peace a chance!"

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In seinem früheren Leben war der verhaltensoriginelle Mann einmal als Johnny Rotten Sänger der britischen Punkband The Sex Pistols (God Save The Queen). Nicht nur dank seiner gellenden und höhnisch von der Kanzel einer Kirche der letzten Tage herunter in die Gemeinde fahrenden Stimme gilt der 67-Jährige als ewiges Anti.

Dystopisch wie innovativ

Nach dem Ende der Sex Pistols veröffentlichte Lydon mit Public Image Ltd. innovative Alben wie Metal Box oder Flowers of Romance. Mit klirrenden Gitarren, an Reggae, Dub oder Krautrock geschulten Bässen – oder auch einmal nur spartanisch mit Gesang und Schlagzeug – entwarf er ab Ende der 1970er-Jahre eine dystopische Musik, mit der er die nihilistischen Wurzeln des Punk weiterentwickelte.

Weil damals unter Margaret Thatchers seine britische Heimat allerdings auch schon vor die Hunde ging, geriet diese Kunst der Verweigerung zum stilprägenden Soundtrack ihrer Zeit. Zwischendurch entdeckte er auf Arbeiten wie Album oder mit seinem mit einer Hotelband eingespielten Hit This Is Not a Love Song tatsächlich kurz den Pop.

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Als böser Clown folgten bis herauf ins Heute diverse Eskapaden wie eine lustlose Reunion der Sex Pistols oder eine Teilnahme als Blockwart im britischen "Dschungelcamp". Lydon moderierte eine TV-Serie über Insekten (John Lydon’s Megabugs) und machte Werbung für Butter. Zuletzt wurde man auf Lydon aufmerksam, weil er Trump unterstützte und den Brexit befürwortete. "Punk" als ewige Revolte wurde so an dessen Belastungsgrenzen geführt.

PiL Official | Public Image Ltd

End of World nun pendelt zwischen kabarettistischem Quatsch, Postpunk-, Funk- und Disco-Deutungen und großen Liedern wie North West Passage. In diesem schneidigen Ein-Akkord-Stück zieht Lydon eine vorläufige Bilanz: "Could have been the end of my life / Could have been a dangerous life / Barely a future."

Mit Hawaii ist Lydon heuer in der irischen Vorausscheidung zum Song Contest auf dem vierten Platz gelandet. Die ungewohnt zarte und unzynische, mit einer sanften Meeresbrise daherrollende Aloha-he-Ballade ist seiner heuer nach langer Krankheit gestorbenen Frau Nora Forster gewidmet: "Don’t fly too soon / No need to cry in pain / You are loved." Er ist ja doch ein guter Junge. (Christian Schachinger, 31.8.2023)