Niedrigzinspolitik und Börsenkrisenjahre hinterlassen in der Arbeiterkammer erneut tiefe Furchen: Auf 5,3 Millionen Euro belaufen sich die Abschreibungen, die alle Arbeiterkammern in Österreich im Vorjahr in ihren Rechnungsabschlüssen vornehmen mussten

Das Bücherboot
Das Bücherschiff der Arbeiterkammer schwimmt auf dem Wörthersee – und steht natürlich nicht sinnbildlich für die Buchverluste, die die Arbeitnehmervertretung mit Staatsanleihen eingefahren hat.
AK_Gernot Gleiss

Der Löwenanteil entfiel auf die mit Abstand größte Teilorganisation, die AK Wien. Sie musste die Buchwerte ihrer Wertpapierbestände um 2,869 Millionen Euro oder 5,8 Prozent reduzieren. Man habe sich nicht verzockt, betont AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank, sondern Staatsanleihen und Anleihefonds hätten – wie bei europäischen Notenbanken auch – an Wert eingebüßt, man sei quasi bestraft worden. Man habe, wie es die Haushaltsordnung der Kammer vorsieht, nicht riskant veranlagt, sondern nur festverzinslich und mit Kapitalgarantie. Aufgrund der Zinserhöhungen durch die EZB verloren langfristige (Staats-)Anleihen an Wert, das habe im AK-Rechnungsabschluss den negativen Saldo verursacht. Da zum Niedrigstwert bilanziert werde, wurde der Verlust nicht realisiert, es handle sich um einem Buchverlust, betonte die AK-Direktorin.

Tiefe Furchen

In absoluten Zahlen vergleichsweise gering, aber gemessen am Wertpapiervermögen doch tiefschürfend sind die Verluste im Burgenland. Die AK Burgenland ging eines Viertels ihres Wertpapiervermögens verlustig. Das wiederum sei eine Spätfolge der Commerzialbank-Pleite, betont man seitens der AK.

Mit einem Minus von 12,1 Prozent sticht auch noch die niederösterreichische AK heraus, ihr Wertpapiervermögen dezimierte sich um 1,1 Millionen Euro auf 9,08 Millionen Euro. Der Wirtschafts- und Sozialsprecher der Neos urgiert eine Rechnungshofprüfung der AK-Veranlagungsstrategien, er sieht keine gesetzliche Verpflichtung zur Veranlagung in Wertpapieren. Auch die Höhe der Reserven stellt der Neos-Mandatar infrage.

Die Wertpapierverluste der Arbeiterkammern in absoluten Zahlen und in Prozent am Wertpapiervermögen
Staatsanleihen und andere festverzinsliche Veranlagungen bescherten Arbeiterkammern Verluste
STANDARD

Die AK kontert, man müsse für die Erhaltung der eigenen Gebäude Vorräte ansparen, sonst könne man sich Modernisierungen wie jene der Technisch-Gewerblichen Schule in der Wiener Plösslgasse nicht leisten. Hruška-Frank sieht darüber hinaus den Bestand der Arbeiterkammern durch FPÖ-Chef Herbert Kickl grundsätzlich infrage gestellt. Die FPÖ plane nichts anderes als die Abschaffung der AK. Neu sei hingegen die blaue Mission in der Sache, in die auch die Pinken einstimmten, nicht: Der Parteichef hatte im Gratisblatt Heute angekündigt, bei der Sondersitzung des Nationalrats am Mittwoch einen Antrag auf "Aus der Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer" einzubringen. Die SPÖ, bestimmende Kraft in der AK-Landschaft, machte gemeinsame Sache mit den Blauen, weil die Stimmen der Roten für die Einberufung nicht ausreichten. Bereits davor hatte FPÖ-Vize Dagmar Belakowitsch das Feld aufbereitet und die Kammern als "Inflationsgewinnler auf Kosten ihrer Zwangsbeitragszahler, die unter Teuerung leiden und um ihre Existenz bangen", bezeichnet. Die Kammer sollte zumindest die Pflichtmitgliedsbeiträge senken, denn sie sei ein Hauptprofiteur hoher Lohnabschlüsse.

Höhere Mitgliedsbeiträge

Die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen dürften heuer auf 572 Millionen Euro steigen – 2022 waren es 565,5 Millionen. Damit habe man knapp 2,2 Millionen Beratungen durchgeführt. Die Zahl der Mitglieder sei in den letzten zwanzig Jahren von drei auf vier Millionen gestiegen. Was die Höhe der Rückstellungen (gut 335 Millionen Euro) und Rücklagen (gut 192 Millionen Euro) betrifft, so sei beides angemessen und nachvollziehbar.

Die Rücklagen (etwa für Investitionen in Gebäude) beliefen sich pro Mitglied auf 48 Euro – in Summe etwa 133 Millionen Euro. Zu Rückstellungen sei man gesetzlich verpflichtet, Rücklagen brauche man, weil der Kammer nicht erlaubt sei, Darlehen aufzunehmen. Das Anlagevermögen von österreichweit 290 Mio. Euro an Sachanlagen umfasse vor allem Gebäude und Liegenschaften, die man für Beratungs- und Bildungstätigkeit benötige.

Massiver Angriff

"Von Versinken im Reichtum sind wir weit weg", betonte Hruška-Frank. Das betreffe im Übrigen auch sie selbst. Ihr Direktorinnengehalt (AK Wien und BAK) von 10.324 Euro netto im Monat sei – verglichen mit anderen vom Rechnungshof geprüften Unternehmen – "nicht aus der Art geschlagen".

"Der Angriff ist ziemlich massiv", sagt AK-Direktorin Hruška-Frank. Zwar sei die Sozialpartnerschaft verfassungsrechtlich abgesichert, nicht aber die Pflichtmitgliedschaft in Wirtschafts- und Arbeiterkammer. Selbiges "ist nicht so verbrieft, dass man nicht darüber streiten kann". Dass es diese Pflichtmitgliedschaft braucht, daran besteht für Hruška-Frank kein Zweifel. "Niemand, der ganz bei Trost ist, stellt das infrage."

Die AK-Direktorin verweist darauf, dass hierzulande – auch dank Sozialpartnerschaft – fast alle Arbeitsverhältnisse, genau 98 Prozent, von Kollektivverträgen geregelt sind. Deutschland, wo es diese Art der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung nicht gibt, liegt in Sachen kollektivvertragliche Abdeckung weit dahinter. Einer freiwilligen Mitgliedschaft wie etwa bei ÖAMTC und ARBÖ kann die AK-Direktorin nichts abgewinnen. Die Pflichtmitgliedschaft sei systemprägend. Eine Million der vier Millionen Mitglieder würden keine Beiträge zahlen, weil sie so wenig verdienten, dass sie nicht in die Ziehung kämen. Genau sie bräuchten Beratungs- und Unterstützungsleistungen am meisten.

0,5 Prozent von Lohn und Gehalt werden unselbstständig Erwerbstätigen in Form der AK-Umlage zwölfmal im Jahr automatisch abgezogen, im Schnitt liegen die mit 16 Euro netto gedeckelten Mitgliedsbeiträge bei acht Euro. (Luise Ungerboeck, Regina Bruckner, 31.8.2023)