Einige kritische Stimmen rief der Plan der Regierung, bis Jahresende 100 neue Kassenarztstellen einzurichten, von Anfang an hervor: Deren Sukkus war stets, dass das Schaffen neuer Stellen nicht das Problem löse, dass Kassenstellen mitunter schon jetzt schwer zu besetzen seien. Der türkis-grüne Plan sieht rund 100 neue Vertragsstellen im Bereich der Allgemeinmedizin, der Kinderheilkunde und der Gynäkologie vor.

Ein Rundruf des Ö1-"Morgenjournals" in den Bundesländern ergab, dass die neuen Stellen nicht überall die Fächer mit dem dringendsten Bedarf beträfen: In Kärnten hieß es beispielsweise, dass in anderen Fächern ein stärkerer Mangel herrsche als in den drei Bereichen, für die neue Stellen vorgesehen seien. So würden laut Kärntner Ärztekammer in dem Bundesland vor allem Augenärztinnen, Dermatologen, Neurologen und Psychiater fehlen. Auch aus anderen Bundesländern wird immer wieder ein besonderer Mehrbedarf in diesen Fächern genannt, heißt es in dem Ö1-Bericht von Donnerstag.

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Augenärztinnen und Augenärzte fehlen in mehreren Bundesländern, die neuen Kassenstellen, die bis Jahresende kommen sollen, wurden aber für Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde und Gynäkologie angekündigt.
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Anästhesisten fehlen

In Vorarlberg begrüßt Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) zwar jede neue Kassenarztstelle, nennt aber auch einen "besonderen Handlungsbedarf mit sehr, sehr hoher Priorität" in der Anästhesie. Auch in der Chirurgie und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sehen einzelne Bundesländer große Lücken.

Weiterhin ist die Skepsis groß, ob neu geschaffene Kassenstellen dann überhaupt besetzt werden können – trotz des Starterbonus von 100.000 Euro für neue Kassenärzte, den die Regierung ebenfalls in Aussicht gestellt hat.

Aus Oberösterreich hieß es zum Beispiel, dass derzeit rund 70 Kassenstellen offen seien. Im Burgenland sieht man daher die Ankündigung als kosmetische Maßnahme an. In Wien fehle es an allen Ecken und Enden an Kassenärzten, neue Stellen wären daher gut, sagte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Allerdings frage er sich, woher die Ärztinnen und Ärzte kommen sollen.

Ministerium bleibt bei vorgesehenem Schwerpunkt

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es zur Kritik der Bundesländer am Kassenausbaupaket laut Ö1, dass der Schwerpunkt bei den neuen Kassenstellen wie angekündigt bei der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendheilkunde und der Gynäkologie liegen werde. Sollte es regional anderen Bedarf geben, könne darüber aber geredet werden. Die Maßnahmen sollen im Herbst im Parlament beschlossen werden. Entgegen erster Informationen, sollen dazu bereits Gespräche mit der ÖGK im Laufen sein.

Der ÖGK zufolge sind von derzeit 3.993 Planstellen österreichweit 90 unbesetzt, 97,7 Prozent also besetzt. Im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde sind nach ÖGK-Statistik (Stand 1. April 2023) 14 von 298 Stellen nicht besetzt, was einem Besetzungsstand von 95,3 Prozent entspricht. Zuletzt hatte Gesundheitsstadtrat Hacker Zweifel an den Zahlen der ÖGK zum Besetzungsstand der Kassenstellen in seinem Bundesland angemeldet, die ÖGK verteidigte sie aber.

Derzeit laufen die Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ein wichtiger Brocken dabei ist auch die weitere Finanzierung des Gesundheitsbereichs. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat angekündigt, dass es Geld nur gegen Reformen geben werde. (spri, 31.8.2023)