Senetnay ägyptische Mumie Bestattung Kanope
Senetnay lebte im 15. Jahrhundert vor Christus und war die Amme des Pharao Amenophis II.
Christian Tepper / Museum August Kestner, Hannover

Mumien riechen angenehmer, als man vermuten würde. Das will offenbar das Moesgaard Museum im dänischen Højbjerg bei einer kommenden Ausstellung demonstrieren, in der der "Geruch der Ewigkeit" präsentiert wird. Den Besucherinnen und Besuchern des Museums, in dem auch einige Moorleichen ausgestellt sind, wird ab 14. Oktober in "Egypt – Obsessed with Life" die antike Mumifizierung nähergebracht. Die Grundlage für die Duftmischung liefert eine aktuelle Studie im Fachjournal "Scientific Reports": Darin zeigt das Forschungsteam um Barbara Huber und Nicole Boivin vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena, mit welchen Substanzen die mumifizierten Körperteile von Senetnay behandelt wurden.

Senetnay war eine adelige Frau der 18. Dynastie, sie lebte also im 15. vorchristlichen Jahrhundert. Als Amme kümmerte sie sich um den späteren Pharao Amenophis II. (auch Amenhotep II.), der als "erster Läufer" um des Sportes und der Bewegung willen gilt. Außerdem heiratete sie den Bürgermeister von Theben Sennefer. Um 1450 vor Christus dürfte die offenbar hochgeschätzte Amme verstorben und aufgrund ihrer wichtigen Funktion für die königliche Familie in der entsprechenden Nekropole im Tal der Könige bestattet worden sein. Sie trug einen Titel, der sich in etwa mit "Zierde des Königs" übersetzen lässt. Ihr Abbild findet sich in unterschiedlichen Grabanlagen, sie wird beim Darreichen von Opfergaben gezeigt. Auch eine Statue zu ihren Ehren wurde von Amenophis II. aufgestellt, in der Tempelanlage von Karnak.

Senetnay ägyptische Mumie Bestattung Kanope
In Kanopen wurden im alten Ägypten Eingeweide von Bestatteten aufbewahrt. Dieser Kanopenkrug aus Kalkstein wird der adeligen Amme Senetnay zugeordnet und ist mit Deckel rund 40 Zentimeter hoch.
Christian Tepper / Museum August Kestner, Hannover

Mit Lunge und Leber

Schon im Jahr 1900 war der britische Ägyptologe Howard Carter, der später das Grab des Pharao Tutanchamun entdeckte, in einer der Grabanlagen im Tal der Könige auf vier Objekte gestoßen, die der königlichen Amme zugeordnet werden konnten und ihre Organe enthielten. Bekanntlich wurden wichtigen Verstorbenen im alten Ägypten diverse Organe entnommen und oft separat einbalsamiert, um in sogenannten Kanopen bestattet zu werden.

Eines dieser Gefäße aus der Grabanlage enthielt etwa die mumifizierte Lunge der Senetnay: Die Inschrift verweist auf die Totengöttin Nephthys, Schwester der Isis, die in der ägyptischen Mythologie für den Schutz der Lunge zuständig war, wie das Forschungsteam um Huber in der aktuellen Duftstudie im Fachjournal "Scientific Reports" schreibt. Die Kanope befindet sich heute im August-Kestner-Museum in Hannover. In einem anderen Gefäß wurde ihre Leber aufbewahrt. Die Fachleute nahmen mehrere Proben aus diesen beiden Gefäßen.

Barbara Huber erforscht altägyptische Proben im Labor unter dem Abzug. Max Planck Institute of Geoanthropology, Jena.
Barbara Huber erforscht am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena die Biochemie altägyptischer Proben.
Chris Leipold

Weitgereiste Substanzen

Die Ergebnisse zeigen, wie hoch die Wertschätzung gegenüber Senetnay war, sagt die betreuende Autorin Nicole Boivin: "Die Anzahl der importierten Zutaten in ihrem Balsam unterstreicht die Bedeutung von Senetnay als wichtiges Mitglied des inneren Kreises des Pharaos." Zu diesen Zutaten gehörten Bienenwachs, Pflanzenöle und tierische Fette sowie Nadelbaumharze, die etwa von Pinien oder Lärchen stammen könnten. Auch das Erdölprodukt Bitumen wurde nachgewiesen, Benzoesäure, die etwa in duftenden Harz- und Kautschukmaterialien vorkommt, und Kumarin, das ähnlich wie Vanille riecht und beispielsweise in Zimt- und Erbsenpflanzen entsteht. Einige der Duftstoffe kommen nicht in Ägypten vor und dürften durch Handel dorthin gelangt sein.

Senetnay ägyptische Mumie Bestattung Kanope
In dieser Kanope wurde wohl Senetnays mumifizierte Lunge aufbewahrt.
Christian Tepper / Museum August Kestner, Hannover

Dazu gehört eine Substanz, die vermutlich aus indischen oder südostasiatischen Balsambäumen stammt und die nur bei der einbalsamierten Lunge nachgewiesen wurde. Es handelte sich wohl um das sogenannte Dammar, ein Harz, das heute ähnlich wie Weihrauch als Räucherwerk verbrannt wird und in Parfums vorkommt, aber eher zitronig duftet. Es könnte sich aber auch um ein Harz aus Pistazienbäumen handeln, die mit dem Cashewbaum verwandt sind. In beiden Fällen weist der Stoff auf weitreichende Handelsrouten hin. Falls es sich tatsächlich um Dammar handelt, würde das bedeuten, dass ins alte Ägypten beinahe ein Jahrtausend früher als bisher angenommen Handelsrouten aus Südostasien führten.

Das Harz Dammar als opak-weiße Brocken neben einem Gläschen, das das neu kreierte Parfüm enthält. Senetnay ägyptische Mumie Bestattung Duft Balsam
So sieht das Harz Dammar aus, das bereits früh einen langen Weg nach Ägypten zurückgelegt haben könnte. Das Fläschchen enthält das Parfum, das als Ausstellungsduft kreiert wurde.
Barbara Huber

Auch die Verbindung Larixol, ein Stoff in Lärchenharz, kam nur in der Lungenkanope vor. Daraus schließt das Team, dass für unterschiedliche Organe auch verschiedene Sorten Balsam produziert und verwendet wurden. Die komplexe Zusammensetzung der Duftstoffe in Senetnays Kanopen ist den Fachleuten zufolge einzigartig für diese frühe Zeitperiode.

Museum für die Sinne

Bekannt war bereits zuvor, dass man im alten Ägypten bei der Einbalsamierung der Leichen etwa Leinenbinden in Harze tränkte, was den Verstorbenen auch Mikroorganismen vom Leib hielt und so zur Konservierung beitrug. Im vergangenen Jahr gelang es einem italienischen Forschungsteam um den Chemiker Jacopo La Nasa bereits, Duftnoten aus dem Grab des hochrangigen Bauleiters Kha und seiner Ehefrau Merit zu bestimmen (DER STANDARD berichtete). In den Gefäßen, in denen sie bestattet wurden, fanden sich Duftstoffe, die auf Bienenwachs, Früchte und getrockneten Fisch schließen lassen.

Die Erkenntnisse solcher Studien seien wichtig, da es zu den Inhaltsstoffen des Balsams "in zeitgenössischen altägyptischen Textquellen nur wenige Informationen gibt", sagt Duftarchäologin Huber.

Parfumlabor und Mumienforschung: Parfümeurin Carole Calvez beim Zusammenstellen des Dufts aus der Vergangenheit.
Die französische Parfümeurin Carole Calvez stellte in Zusammenarbeit mit den Fachleuten den Duft des Balsams als Parfum zusammen.
Carole Calvez

In der Folge rekonstruierte das Team die Duftkombination des Balsams und arbeitete dabei auch mit einer französischen Parfümeurin zusammen. Damit will das Team die Vergangenheit Ägyptens auch sehbehinderten Menschen zugänglich machen. "Der 'Duft der Ewigkeit' steht für mehr als nur das Aroma des Mumifizierungsprozesses", sagt Huber. "Er verkörpert die reiche kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung der altägyptischen Bestattungspraktiken." Es bleibt abzuwarten, ob auch ein entsprechendes Parfum im Museumsshop angeboten wird. (Julia Sica, 31.8.2023)