Die Salzburger Landesregierung hat angekündigt, das flexible Tempolimit auf der Tauernautobahn (A10) im Herbst aufzuheben. Eine entsprechende Verordnung tritt Anfang November in Kraft, teilte das Land am Freitag mit. Die Maßnahme stößt auf Kritik der Grünen. In Tirol will ÖVP-Nationalratsabgeordneter Franz Hörl nachziehen und attackiert die Grünen.

Im Jahr 2005 wurde in Salzburg das Tempolimit nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L) aufgrund hoher Stickstoffdioxid-Messwerte permanent eingeführt. Danach war auf einer Strecke von 27 Kilometern Tempo 100 geboten, wenn die Belastung einen Grenzwert (40 Mikrogramm pro Kubikmeter) überschritt. Die Tempolimits könnten dank Überkopfwegweisern flexibel je nach Luftgüte gestaltet werden. Da der Messwert aber nun schon lange nicht mehr übertroffen wurde, sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit mehr für die Maßnahme. Ab November soll permanent Tempo 130 gelten.

Tempo-100-Anzeige.
Das Immissionsschutzgesetz Luft bietet die Grundlage für flexible Tempolimits, wie sie in Oberösterreich, Steiermark, Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg herrschen.
APA/HELMUT FOHRINGER

Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) erkennt laut einer Mitteilung "keine fachliche Notwendigkeit mehr für die Geschwindigkeitsbegrenzung". Zum Thema Klimaschutz verlor die Umweltlandesrätin in der Aussendung kein Wort. Das Land gab eine Studie in Auftrag; deren Ergebnisse würden "auch langfristig Sicherheit geben, dass wir das Ende des IG-L-Hunderters einläuten können", sagte Svazek. "Und andererseits ist nicht damit zu rechnen, dass die Grenzwerte nochmals erreicht werden – auch nicht, wenn Tempo 130 jetzt wieder gilt."

Die Luftwerte haben sich laut Land Salzburg aufgrund der steigenden Anzahl an E-Autos sowie durch bessere Abgaswerte seit dem Dieselskandal im Jahr 2015 verbessert. Neben der Stickstoffdioxid-Belastung sei auch die Feinstaubbelastung gesunken.

Kritik an der Maßnahme kommt von den Salzburger Grünen. Klubobfrau Martina Berthold bezeichnete die geplante Aufhebung des "Luft-Hunderters" als einen "Schlag ins Gesicht für all jene Menschen, die sich um die Zukunft kümmern". Schwarz-Blau lasse mit dieser Maßnahme die Menschen im Stich. "Die Klimakrise ist für immer mehr Menschen in Salzburg eine reale Gefahr vor der eigenen Haustüre", verwies Berthold auf die Einschätzungen des Institutes für Alpine Naturgefahren der Boku Wien. "Demnach ist österreichweit jedes siebende Gebäude von Extremwetterereignissen bedroht. Auch in Salzburg hatten wir im Sommer eine extreme Hitzewelle und gerade erst vor ein paar Tagen kam es zu Hochwasserereignissen. Zum Schutz der Salzburgerinnen und Salzburger braucht es jetzt mehr und nicht weniger Klimaschutzmaßnahmen."

Gutachten zur künftigen Schadstoffentwicklung

Wie die "Salzburger Nachrichten" berichteten, ist Basis für die Aufhebung ein Gutachten der Schweizer Firma Ökoscience. Untersucht wurde die zukünftige Entwicklung der Stickstoffoxidimmissionen bei Hallein – und was eine allfällige Aufhebung des Tempolimits bedeuten würde. Das Ergebnis: Angesichts auch der Zunahme an E-Autos scheine es ausgeschlossen, dass der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter bei Hallein noch einmal erreicht werde. Und auch in den Folgejahren sei es unwahrscheinlich, dass selbst der österreichische Grenzwert (der bei 35 Mikrogramm liegt) noch einmal erreicht werde.

Alexander Kranabetter, Leiter des Referates Immissionsschutz beim Land Salzburg, erläuterte, beim IG-L gehe es nur um die Luftschadstoffe, nicht etwa um ein Tempolimit aufgrund des Klimaschutzes. "Wenn wir keine Grenzwertüberschreitungen mehr haben, dann fehlt die rechtliche Grundlage für Maßnahmen." Drei Kriterien müssten erfüllt sein: Es dürfe drei Jahre keine Grenzwertüberschreitung gegeben haben, bei Wegfall der Maßnahme müsse auch weiterhin die Grenzwerteinhaltung gegeben sein und rückläufige Emissionen müssten gegeben sein. Der höchste Wert wurde auf der A10 bei Hallein 2003 gemessen - mit 61,6 Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter. Im Vorjahr lag dieser Wert bei 30,7 Mikrogramm, heuer liegt der Jahresmittelwert bei 29 Mikrogramm.

Tempo 80 im vergangenen Jahr gestrichen

Das Land Salzburg hat bereits im Herbst 2022 das im März 2015 eingeführte flexible Tempo-80-Limit auf einem 10,3 Kilometer langen Abschnitt auf der Westautobahn (A1) in der Stadt Salzburg aufgehoben. Der damalige Umweltreferent Heinrich Schellhorn (Grüne) hatte die Entscheidung damit begründet, dass die Rechtsgrundlage für die Geschwindigkeitsbeschränkung weggefallen sei. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe würden seit drei Jahren eingehalten und dürften auch in Zukunft nicht mehr überschritten werden.

Franz Hörl am Telefon.
Franz Hörl (ÖVP) sorgt sich um die Tiroler Wirtschaft und will deshalb Tempo 100 auf der Inntalautobahn aufheben.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Diskussion über Aufhebung in Tirol

Inzwischen entwickelt sich auch in Tirol eine Diskussion über die Aufhebung des "Luft-Hunderters". Ein Tiroler Autolenker wurde im Jahr 2022 auf der Autobahn mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von 150 km/h geblitzt – und brachte daraufhin eine Beschwerde gegen die Geldstrafe beim Landesverwaltungsgericht ein. Sein Anwalt argumentierte, dass die Tempobeschränkung auf 100 nicht mehr gerechtfertigt war, weil die Schadstoffbelastung zu gering gewesen sei.

Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) will am "Luft-Hunderter" festhalten und argumentiert, dass die Schadstoffbelastung durch die Aufhebung der Tempobeschränkung wieder steigen würde. Zumtobel will Tempo 100 zwischen Kufstein und Zirl-West unabhängig der Schadstoffwerte beibehalten, berichtet die "Tiroler Tageszeitung".

Hörl wirft Grünen vor, "Leute zu quälen"

Der ÖVP-Abgeordnete und Tiroler Wirtschaftsbund-Chef Franz Hörl nutzt den Stein des Anstoßes und spricht sich für ein Ende des "Luft-Hunderters" aus. Wenn die Rechtsgrundlage aufgrund stark verbesserter Messwerte fehle, sei auch das Tempolimit abzuschaffen, sagte Hörl der APA. Er mahnte ein analoges Vorgehen wie in Salzburg ein.

Ein Beibehalten der "obsolet gewordenen Beschränkung" wäre ein "Festhalten an der verfehlten und gegen die Tirolerinnen und Tiroler gerichteten grünen Verkehrspolitik einer Ingrid Felipe (ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreterin, Anm.) und eines Gebi Mair (Tiroler Grünen-Chef, Anm.)", sagte Hörl, der gleich weitere heftige Attacken gegen den ehemaligen Koalitionspartner im Land ritt: "Die Grünen haben sich darauf beschränkt, die eigenen Leute zu quälen und die Tiroler Wirtschaft zu behindern. Diese Zeiten müssen vorbei sein." Man müsse stärker mit den Nachbarn "im europäischen Verkehrskontext" zusammenarbeiten.

Etwas Lob gab es für den jetzigen roten Bündnispartner. Beim aktuellen Verkehrslandesrat Zumtobel erkenne er "durchaus das Bemühen, hier neue und zielführende Wege zu gehen".

Beifall für die Forderung Hörls kam aus den Reihen der Tiroler Freiheitlichen. Die ÖVP habe es jedoch nicht geschafft, ein taugliches sektorales Fahrverbot gegen den Schwerverkehr zu erlassen. "Es braucht endlich eine vernünftige Verkehrspolitik in Tirol", forderte Parteichef Markus Abwerzger in einer Aussendung an. Gleichzeitig bezeichnete Abwerzger die ÖVP als "Feind der Tirolerinnen und Tiroler". Denn: "Auf EU-Ebene versagen LH Anton Mattle und sein Kommissar Dr. Johannes Hahn vollkommen in der Transitfrage", so Abwerzger. (luza, APA, 2.9.2023)