Herzog gibt Van der Bellen die Hand. Im Hintergrund sind die israelische und österreichische Flagge zu sehen.
Der israelische Präsident Jitzchak Herzog (links im Bild) besuchte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag in Wien.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog hat am Dienstag bei einem Besuch in Wien Österreichs Kampf gegen Antisemitismus gelobt. Der "kompromisslose Kampf gegen Antisemitismus" der österreichischen Regierung solle "Beispiel" für andere Länder sein, sagte Herzog in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Israel schätze das "sehr". Herzog erinnerte auch an den Holocaust. "Die Narben sind tief."

Van der Bellen bekräftigte, dass es für Österreich eine "zentrale Aufgabe" sei, die Erinnerung an die Shoah wachzuhalten. Die Verfolgung und Vertreibung zehntausender Juden aus Österreich "können und wollen wir nicht vergessen", sagte der Bundespräsident.

Wegen Sicherheitsvorkehrungen im Zuge des Staatsbesuches war am Montag und Dienstag auch ein Polizeihubschrauber in Wien im Einsatz.

Herzog: "Wir sind an einer Schwelle"

Van der Bellen und Herzog sprachen aber auch über aktuelle politische Themen. Zu den Abraham Accords, den Normalisierungsabkommen Israels mit arabischen Ländern, sagte Herzog, dass er glaube, dass es "noch weitere Abkommen geben wird". Gleichzeitig verschärfe sich die sicherheitspolitische Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm. Herzog sprach von "dramatischen Zeiten. Wir sind an einer Schwelle." Den Streit um die Justizreform in seinem Land erwähnte der israelische Präsident in seinem Pressestatement, bei dem keine Journalistenfragen zugelassen waren, jedoch nicht.

Van der Bellen erklärte, die israelischen Sorgen im Hinblick auf den Iran und die Hisbollah zu teilen. Die Entwicklung und der Erwerb von Atomwaffen durch Teheran seien zu verhindern. Außerdem betonte er, dass Österreich weiterhin an der Zweistaatenlösung für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern festhalte. Hier seien "jede Menge von Fragen offen". Zum Thema Justizreform sagte Van der Bellen, dass sich Herzog für einen "breiten Konsens" einsetze, um den politischen und gesellschaftlichen Spannungen durch sein Angebot des Dialogs entgegenzuwirken. Er wünschte seinem israelischen Amtskollegen alles Gute dafür.

Wegen der geplanten Justizreform finden seit Monaten Massendemonstrationen gegen die rechts-religiöse Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu statt. Kritiker fürchten ein Ende der Gewaltenteilung und eine Schwächung des Obersten Gerichts, das Gesetze außer Kraft setzen kann, die es als diskriminierend ansieht. Israel hat nämlich keine Verfassung. Israels Oberstes Gericht soll sich am 12. September mit den Einsprüchen gegen den umstrittenen Justizumbau befassen. Sollte das Gericht das Gesetz einkassieren und die Regierung dies nicht akzeptieren, könnte Israel eine Staatskrise drohen.

Herzog ist in dem Konflikt nicht nur als Vermittler gefordert, sondern muss darüber hinaus auch internationale Vertretungsaufgaben übernehmen. Obwohl der israelische Präsident nur repräsentative Aufgaben hat, wurde er im Juli von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. Das Verhältnis von Biden zu Netanjahu gilt als schwierig. Die Regierung des US-Präsidenten sieht außer der Justizreform auch die Siedlungspolitik von Netanjahus Regierung in den Palästinensergebieten höchst kritisch.

Schallenberg: Gewaltenteilung "Basis pluralistischer Demokratie"

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die bei dem Delegationsgespräch der beiden Staatsoberhäupter dabei waren, zeigten sich über die israelische Justizpläne besorgt. Schallenberg erklärte im APA-Sommerinterview, dass Gewaltenteilung "die Basis jeder pluralistischen Demokratie" sei. "Vor allem der Punkt, dass in der Knesset mit einfacher Mehrheit höchstgerichtliche Entscheidungen ausgehebelt werden könnten", bereite ihm große Sorgen.

Die israelisch-österreichischen Beziehungen dürften bei den Gesprächen zwischen Jitzchak Herzog (links) und Alexander Van der Bellen ebenfalls Thema werden.
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Zadić ihrerseits betonte auf APA-Anfrage ebenfalls, dass die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung "Grundpfeiler einer modernen, liberalen Demokratie" seien und nicht geschwächt werden dürften. "Ich weiß, dass die israelische Demokratie stark und widerstandsfähig ist."

Steigende Zahl an israelisch-österreichischen Doppelstaatsbürgern

Van der Bellen und Herzog bezeichneten die Beziehungen zwischen Österreich und Israel als so gut wie nie zuvor. Durch die vereinbarte strategische Partnerschaft würden diese weiter intensiviert. Israel könne Österreich im Bereich Innovation, Forschung und Technologie noch vieles lehren, sagte Van der Bellen, der auch darauf verwies, dass Wien unter den top fünf Destinationen für israelische Touristen sei.

In den vergangenen vier Jahren ist auch die Zahl der israelisch-österreichischen Doppelstaatsbürger deutlich gewachsen, infolge einer Gesetzesänderung im Jahr 2019, die direkten Nachkommen von Opfern der Nationalsozialisten den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ermöglicht. Bisher haben laut Außenministerium mehr als 23.000 NS-Opfer und ihre Nachfahren die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Gut die Hälfte der neuen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen ist unter 35 Jahre alt.

Gedenken an Shoah-Opfer

Dass die Beziehungen zwischen Israel und Österreich "heute so gut sind, schien uns vor wenigen Jahrzehnten unmöglich, fast wie ein Märchen", erklärte Van der Bellen weiter. Aber: "Wir wollten das erreichen." Er erinnerte an den österreichischen Publizisten Theodor Herzl, den Vordenker des Staates Israel, der einst gesagt hatte, "wenn ihr wollt, ist es kein Märchen". Herzog wird später am Dienstag an dem Haus in der Berggasse in Wien-Alsergrund, in dem Herzl Ende des 19. Jahrhunderts sein Werk "Der Judenstaat" schrieb, ein Schild anbringen.

Am Nachmittag gedachten die beiden Staatsoberhäupter mit einer Kranzniederlegung an der Shoah-Namensmauer im Ostarrichi-Park der im Holocaust ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich. Herzog, selbst kein Nachfahre von Holocaust-Überlebenden, sprach von der Shoah als "dunkelstes Kapitel der Menschheitsgeschichte", das sich auch in Österreich abgespielt habe.

Israels Präsident Jitzchak Herzog und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, begleitet von ihren Ehefrauen Michal Herzog und Doris Schmidauer, stehen vor der Shoah-Namensmauer.
Israels Präsident Jitzchak Herzog und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, begleitet von ihren Ehefrauen Michal Herzog und Doris Schmidauer, bei einer Kranzniederlegung bei der Shoah-Namensmauer im Ostarrichi-Park in Wien.
APA/ROLAND SCHLAGER

An der Gedenkfeier nahmen Holocaust-Überlebende, Regierungsmitglieder und zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teil. Mit den Namensmauern in Wien-Alsergrund wird an die 65.000 jüdischen Österreicherinnen und Österreicher erinnert, die nach 1938 nicht vor dem Tod flüchten konnten. Sie verhungerten etwa in Ghettos, wurden erschossen oder in Vernichtungslagern umgebracht. Ihre Namen wurden auf 180 Granitplatten im Ostarrichi-Park vor dem Sitz der Österreichischen Nationalbank in Wien-Alsergrund verewigt. (APA, red, 5.9.2023)