Maria Lassnig
Nicht fehlen in einer Albertina-Sammlungspräsentation dürfen Klassiker wie Maria Lassnig. Hier mit ,,Krebsangst".
ALBERTINA, Wien. Dauerleihgabe aus österreichischem Privatbesitz

Durchaus könnte die große Herbstausstellung in der Albertina Modern missverstanden werden. Zumindest, wenn man nur dem Titel "Österreich-Deutschland" begegnet. Man könnte an historische Aufarbeitungen düsterer, gemeinsamer Zeiten denken. Oder an sportliche Momente wie das – zumindest für Österreich unvergessliche – "Wunder von Córdoba" im Jahr 1978, als endlich Deutschland der österreichischen Mannschaft im Fußball unterlag. Doch darum geht es in der Schau mit dem Beisatz "Malerei 1970 bis 2020" natürlich nicht, aber auch nicht um Rivalitäten in der bildenden Kunst oder gar um nationale Unterschiede.

Die gänzlich aus der Sammlung der Albertina gespeiste Gruppenschau ist – man muss es so sagen – ein harmloser Lückenfüller. Ursprünglich war nämlich für den Saisonstart im September die umfassende Präsentation "The Beauty of Diversity" geplant. Diese wurde aber wegen personeller Ausfälle auf Februar 2024 verschoben. Klaus Albrecht Schröder, der das Museum noch bis Ende des nächsten Jahres leitet, konnte "Österreich-Deutschland" gemeinsam mit Kuratorin Constanze Malissa schnell auf die Beine stellen. Derartige Sammlungspräsentationen wird es künftig unter dem designierten Direktor Ralph Gleis verstärkt geben, wie jener bereits ankündigte.

Schröders Schmankerln

Jetzt stehen aber erst noch Schröders Schmankerln im Scheinwerferlicht. Bestimmte Namen fehlen wie in den Überblicksausstellungen der letzten Jahre nicht: Georg Baselitz, Jörg Immendorff oder Maria Lassnig. Dennoch wird man in den weiten Räumen der Albertina Modern mit einer luftigen und beschwingten Show überrascht. In insgesamt 13 "Dialogen" werden österreichische und deutsche Positionen einander gegenübergestellt, die entweder thematisch, ästhetisch oder stilistisch korrespondieren. Das funktioniert manchmal besser, manchmal weniger. Alles in allem macht es aber Spaß, Werke von zwei Kapazundern wie Arnulf Rainer und Gerhard Richter vis-à-vis voneinander zu sehen. Rivalitäten gibt es hier keine.

Gemälde von Albert Oehlen
Die großformatigen Gemälde von Albert Oehlen werden mit ebenfalls Abstraktem von Martha Jungwirth kombiniert.
Dauerleihgabe Privatsammlung Düsseldorf © Bildrecht, Wien 2023

In einem knallig-verspielten Saal treffen monumentale Figuren des oberösterreichischen Malers Siegfried Anzinger, der als einer der Begründer der Neuen Wilden gilt, mit einer deutschen Super-Kombi zusammen: bestehend aus bunten Werken des Malerstars Daniel Richter und Fratzen-Skulpturen des Spaßmachers Jonathan Meese. In Kontrast dazu steht das düstere, durchaus politische Aufeinandertreffen von Jörg Immendorff und Adolf Frohner. Während Immendorffs Szenen in grellen Farben den Schmerz der Teilung Deutschlands behandeln, steht bei Frohner die Unterdrückung der Frau in einer patriarchalen Gesellschaft im Zentrum.

Rührend, aber nicht tiefgründig

Tiefgründiger wird die Ausstellung aber nicht, eher dominieren oberflächliche Gemeinsamkeiten. Wie in einem riesigen Wimmelbild werden beispielsweise Vertreter realistischer Malerei, darunter auch der Neuen Leipziger Schule, in dem zentralen Raum zusammengetan. Das Arrangement von Xenia Hausner, Isolde Maria Joham und Neo Rauch wirkt bei aller figurativer Präsenz etwas zufällig gewählt.

In intimer, fast schon rührender Zweisamkeit findet man indes Abstraktes von Albert Oehlen und der erst spät entdeckten Malerin Martha Jungwirth. Dass die grandiose Kunst der Wienerin vor rund zehn Jahren die große Bühne bekam, die sie verdiente, darf man dem deutschen Künstler verdanken. Er hatte Werke von Jungwirth 2010 im Lager des damaligen Essl-Museums entdeckt.

Eine ebenfalls generationenübergreifende Zusammenstellung von Wolfgang Holleghas faszinierenden Farbwelten und Katharina Grosses XXL-Spray-Bildern gelingt zwecks der abstrakten Farbensprache und teasert Kommendes: Anfang November wird im Haupthaus der Albertina eine Einzelschau der deutschen Gegenwartskünstlerin eröffnet.

Zum Abschluss knallt es. Da scheinen sich zwei Positionen gefunden zu haben. Die Künstlerin Verena Bretschneider, die Schröder noch respektloser findet als Jonathan Meese und zu seinen liebsten Neuentdeckungen der letzten Jahre zählt, formt absurde Wandfiguren aus diversen Materialien wie Plastikblumen oder Einweggabeln und wird in der Ausstellung mit den genialen Plastilin-Assemblagen der Künstlergruppe Gelitin kombiniert. Laut Lachen ist erlaubt. (Katharina Rustler, 6.9.2023)