Für all jene, die sich für den Datenschutz einsetzen, ist es ein seltener Anlass zum Jubel. In letzter Minute hat die britische Regierung die eigenen Pläne für die sogenannte Chatkontrolle aufgegeben, die umstrittene "Online Safety Bill", die eine entsprechende Verpflichtung vorgesehen hätte, wurde entsprechend angepasst. Dem waren monatelange Proteste von Datenschutzorganisationen, aber auch die Drohung mehrerer Messenger-Anbieter, sich aus Großbritannien zurückzuziehen oder das Gesetz einfach zu ignorieren, vorangegangen.

Die neue Verschlüsselungsdebatte

Die Chatkontrolle hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der zentralen Debatten rund um das Thema Privatsphäre entwickelt. Es geht dabei um das Ansinnen von Regierungen und Polizeibehörden, selbst in sicher verschlüsselte Diskussionen Einblick nehmen zu können.

In Großbritannien gibt es eine Niederlage für Spione
In Großbritannien gibt es eine Niederlage für Spione.
KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP

Aufgrund der bei den meisten aktuellen Messengern verwendeten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung haben derzeit nicht einmal die jeweiligen Softwarehersteller Zugriff auf die Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Sollten sie nun eine entsprechende Kontrolle vornehmen, müssten sie ihre eigene Software unterwandern, um die Überwachung direkt auf den Geräten der User vorzunehmen und diese dann im Fall des Falles an die Behörden auszuliefern.

Altbekannte Argumente

Argumentiert wurde die Notwendigkeit für solch eine Maßnahme – wie so oft bei Debatten über Verschlüsselung – mit dem Kampf gegen die Verbreitung von Bildern, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder zeigen. Messenger-Anbieter verweisen hingegen darauf, dass solche Schnittstellen, wenn sie einmal etabliert sind, natürlich auch für die Suche nach anderen Inhalten genutzt werden könnten. Und das natürlich nicht nur von Großbritannien oder der EU, all das wären auch neue Ansatzpunkte für staatliche Spione aus anderen Ländern sowie Kriminelle. In Summe würde damit ein potenzielles Massenüberwachungssystem aufgebaut, das die Sicherheit sämtlicher Messenger-User deutlich reduziert.

Eine gemeinsame Front

Dass diese Passage nun gestrichen wird, ist wohl auch der Geschlossenheit der Expertinnen und Experten zu verdanken. So haben diese einhellig betont, dass solch ein System schon rein technisch weder zuverlässig noch ohne massive Auswirkungen auf Grundrechte umgesetzt werden kann. Auch Messenger-Anbieter wie Whatsapp-Hersteller Meta haben sich gegen diese Pläne starkgemacht. Besonders umtriebig war dabei die Signal-Chefin Meredith Whittaker, die in zahlreichen Medienauftritten eindringlich vor den Konsequenzen warnte.

Entsprechend erfreut zeigt sich Whittaker nun über die Kehrtwende, diese sei "sehr groß und sehr gut". Ganz zufrieden ist sie trotzdem nicht, wurde die Idee doch nicht komplett aus dem Gesetz gestrichen, sondern nur mit dem Zusatz versehen, dass eine Anordnung nur erfolgen kann, wenn sie technisch machbar ist. Dass das derzeit nicht der Fall ist, hat die britische Regierung zuvor allerdings explizit anerkannt. Whittaker will nun mit anderen dafür sorgen, dass dies auch noch in den Vorschriften der Regulierungsbehörden so festgeschrieben wird.

Die Debatte in der EU geht voran

Abzuwarten bleibt, wie sich die Kehrtwende in Großbritannien auf die Debatte in der EU auswirkt. So war zuletzt zu hören, dass der EU-Rat noch im September seine Position zu dem Thema beschließen will. Dazu kommt, dass Spanien derzeit die Ratspräsidentschaft innehat und als der stärkste Verfechter von Messenger-Überwachung in der EU gilt.

Spanien war es denn auch, das zuletzt einen neuen Entwurf vorgelegt hat, den derzeit neun Staaten offen unterstützen. Gleichzeitig gibt es aber auch einige Länder, die bisher ihre Ablehnung für entsprechende Pläne signalisiert haben – darunter Österreich und Deutschland. (Andreas Proschofsky, 7.9.2023)