Wissenschaft bietet Stoff für fantastische Geschichten: Wie haben sich vor Milliarden Jahren Sterne aus den ersten Elementen gebildet? Wie sind die Dinosaurier von der Erde verschwunden? Oder: der glorreiche Abend, als Albert Einsteins Vorhersagen in der Allgemeinen Relativitätstheorie bei der Beobachtung einer Sonnenfinsternis bestätigt werden konnten.

Weibliche Forscherin
In der Öffentlichkeit halten sich stereotype Vorstellungen von Forschenden beständig. Das einsame Genie entspricht aber kaum der Wirklichkeit der Wissenschaft.
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Menschen lieben Geschichten. Aber sie lieben nicht unbedingt die Wissenschaft. Vielleicht erzählen wir also einfach die falschen Geschichten, wenn wir über Wissenschaft sprechen? Wie es um das Desinteresse an und die Ablehnung von Wissenschaft im Land bestellt ist und was sich tun lässt, um das Vertrauen in Wissenschaft zu stärken, war eines der dominierenden wissenschaftlichen Themen beim diesjährigen Forum Alpbach.

Zehn Prozent sind wissenschaftsfeindlich eingestellt

Eine vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) nahm zahlreiche Rohdaten zu Wissenschaftsskepsis nochmals genauer unter die Lupe. Bei der Studie, die vergangene Woche präsentiert wurde, zeigte sich, dass es einen harten Kern von zehn Prozent der Bevölkerung gibt, die in Bezug auf unterschiedlichste Themen wissenschaftsfeindliche Einstellungen vertreten.

Was sich gegen Wissenschaftsskepsis und Desinteresse an Wissenschaft tun lässt, war unter anderem Gegenstand einer Podiumsdiskussion, die vergangene Woche in Alpbach vom Wissenschaftsfonds FWF und dem Wissenschaftsministerium organisiert wurde.

"Keine starke Tradition der Wissenschaftskommunikation"

Dabei zeigte sich, dass insbesondere bei der Wissenschaftskommunikation angesetzt werden muss. "Wir haben in Österreich keine starke Tradition der Wissenschaftskommunikation", sagte Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP). Im Wissenschaftsministerium wird nun überlegt, wie mehr Forscherinnen und Forscher motiviert werden können, sich diesbezüglich zu engagieren.

Ein positives Beispiel dafür war in Alpbach ebenfalls vertreten: Sylvia Kerschbaum-Gruber forscht an der Medizinischen Universität Wien zu Krebsimmuntherapie. Unter dem Namen molecular.sylvia ist sie im sozialen Netzwerk Instagram höchst erfolgreich unterwegs – inzwischen mit 18.000 Followern.

"Fakten reichen nicht"

"Ich habe im Laufe der Zeit herausgefunden, dass Fakten einfach nicht reichen", erzählt Kerschbaum-Gruber über ihre Erfahrungen dabei, Wissenschaft in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. "Wir brauchen Geschichten, weil wir als Spezies von Anfang an Geschichtenerzähler waren." Sie habe die Erfahrung gemacht, dass die Öffentlichkeit bereit sei zuzuhören, "wenn wir als Wissenschafter beschließen, unsere Geschichten zu teilen".

Ihre Motivation für die bisweilen zeitaufwendige Wissenschaftskommunikation begründet Kerschbaum-Gruber damit, Menschen inspirieren zu wollen. "Ich möchte das Vorbild sein, das ich selbst nie hatte." Außerdem gehe es ihr darum zu vermitteln, dass Wissenschaft kein Nischenthema für Spezialisten sei, sondern "für alle. Sie ist die Grundlage dafür, wer wir sind und wohin wir gehen."

Gefährliche Fake News

Zudem fühle sie sich als Wissenschafterin "persönlich und beruflich verpflichtet, Falschinformationen zu bekämpfen". Fake News im medizinischen Bereich hätten bereits zahlreiche Leben gekostet und würden dies auch weiterhin tun.

Für Johannes Starkbaum, Leiter der IHS-Studie zu Wissenschaftsskepsis, ist das Desinteresse an Wissenschaft auch darin begründet, dass "breiten Teilen der Bevölkerung unbekannt ist, wie Wissenschaft funktioniert". Das betreffe die wissenschaftliche Methodik ebenso wie die Rolle von Kontroversen in der Wissenschaft für den Erkenntnisgewinn.

"Wichtig ist, dass Wissenschaft stärker an die Alltagskultur anknüpft", sagt Starkbaum. "Wissenschaft wird oft als etwas gesehen, das weit weg von der eigenen Lebenswelt ist." In der Öffentlichkeit herrschten teils stereotype Vorstellungen von Wissenschaft vor, wie jene des einsamen Genies, das verschlossen im stillen Kämmerchen einen Heureka-Moment erlebt. "So funktioniert Wissenschaft in den wenigsten Fällen." Gerade solche Stereotype seien für das Vertrauen in die Wissenschaft nicht förderlich. (Tanja Traxler, 11.9.2023)