Geldbörse
Mehr im Börsel, als oft geglaubt wird: Lohnerhöhungen, Pensionsanpassungen und Staatshilfen haben die Krisenzeiten stark gemildert.
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Wien – Immer mehr Menschen könnten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen: Dieser Stehsatz ist in der politischen Debatte allgegenwärtig. Was die Oppositionsparteien verbreiten, deckt sich mit der subjektiven Wahrnehmung breiter Teile der Bevölkerung. Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass es finanziell immer enger werde.

Doch was sagen die nüchternen Zahlen? Der Budgetdienst des Parlaments, eine regierungsunabhängige Serviceeinrichtung für Abgeordnete, zieht eine erste Bilanz für die von Corona und Teuerungswelle geprägte Krisenperiode. Der STANDARD nahm in die Analyse Einblick – und stieß auf ein erfreulicheres Bild, als landläufig gezeichnet wird.

Konkret widmet sich die Berechnung, die auf eine parlamentarische Anfrage des ÖVP-Mandatars Andreas Hanger erfolgt ist, dem Zeitraum von 2020 (Ausbruch der Pandemie) bis 2024. Die Ergebnisse basieren also sowohl auf statistischen Daten als auch auf Prognosen. Laut diesem Szenario liegen die realen verfügbaren Haushaltseinkommen – Inflation also herausgerechnet – über diese fünf Jahre hinweg im Durchschnitt stets höher als im Vorkrisenjahr 2019, einzige Ausnahme ist 2023. Im Mittel beträgt der Überhang 0,7 Prozent.

Starke Wirkung der Hilfspakete

Wie ist das trotz der schwierigen Zeiten zu erklären? Die Hilfspakete der Regierung von ÖVP und Grünen haben zweifellos gewirkt. Die "einkommensstärkenden Entlastungsmaßnahmen" summierten sich von 2020 bis 2024 laut Budgetdienst auf 45,7 Milliarden Euro, das sind durchschnittlich 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Dazu kommen die per Kollektivverträgen ausgehandelten Lohnerhöhungen sowie die vom Staat gewährten Pensionsanpassungen.

An dieser Stelle ist allerdings ein Hinweis nötig: Für die Berechnung der Einkommensentwicklung gibt es verschiedene Methoden, der Budgetdienst stützt sich auf die sogenannten EU-Silc-Daten. In einer anderen Variante, die auf der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung basiert, fallen die Ergebnisse ungünstiger aus. Demnach liegen die realen Einkommen pro Kopf von 2020 bis 2023 im Schnitt stets unter dem Niveau von 2019, erst 2024 voraussichtlich wieder darüber.

Der Unterschied: Gemäß dem letzteren Modell fallen die offenbar gesunkenen Vermögenseinkommen stärker ins Gewicht. Diese spielen de facto zwar nur für die einkommensstarken Schichten eine signifikante Rolle, schlagen sich rechnerisch aber natürlich auch im Durchschnitt nieder. Überdies sind die Vermögensdaten laut Budgetdienst mit einer besonderen Unsicherheit behaftet.

Großes Plus für kleine Einkommen

Laut dem Szenario der Parlamentsexperten haben sich gerade die niedrigen Einkommen besonders gut entwickelt. Im untersten Zehntel der Haushalte liegt das jährliche Niveau von 2020 bis 2024 im Schnitt um 5,9 Prozent über dem Level von 2019. Ein Grund: Zwar entfiel ein überproportionaler Anteil der staatlichen Hilfsgelder auf die besser situierten Haushalte. Doch in Relation zum Einkommen sei die Wirkung der Maßnahmen im unteren Einkommensbereich am höchsten, analysiert der Budgetdienst.

Zu betonen ist jedoch auch: Bei den Erkenntnissen des Budgetdiensts handelt es sich um Durchschnittswerte. Wie stark die Preisexplosion jemanden trifft, variiert stark je nach Lebenslage – von der Wohnsituation über das Heizsystem bis zur Stellung am Arbeitsmarkt. (Gerald John, 8.9.2023)