Sebastian Kurz hier, Sebastian Kurz da, von Kameras und defilierender ÖVP-Prominenz umringt. Bekannte Bilder, so als wäre der Kanzler zur Filmvorführung erschienen. Es war aber nur der Privatmann Kurz, der als Hauptdarsteller der ihm gewogenen Doku Kurz – der Film bei der Premiere im Artis-Kino alte und neue ÖVP-Granden um sich scharte.

Es war ein Abend unter Freunden: Links neben Kurz saß dessen Lebensgefährtin, Susanne Thier, rechts der Grandseigneur der Volkspartei, Wolfgang Schüssel, Kanzler von 2000 bis 2007. Es machten alle ihre Aufwartung: von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Gernot Blümel, Andreas Khol, Ingrid Korosec und Susanne Raab über die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger bis Wirtschaftsminister Martin Kocher. Der Bundeskanzler und derzeitige ÖVP-Chef Karl Nehammer kam zur Aftershowparty.

Sogar schwarze Urgesteine wie Ex-Vizekanzler Josef Riegler, der eng mit dem Begriff ökosoziale Marktwirtschaft verbunden ist, kamen. Und: Astrologin Gerda Rogers war dabei, ebenso ÖVP-Großspender Klaus Ortner. Danach ging es für Kurz, glaubt man dem Boulevard – wie in alten Zeiten – in einen der angesagten Klubs des Martin Ho.

Zuvor durfte bei der Premiere aber auch leise gelacht werden – etwa als Andreas Khol in der Doku seinen Leitspruch preisgibt: "Jedes Schrifterl ein Gifterl", klärt er auf. Es ist selbstredend eine Anspielung auf die türkisen Chataffären.

Einige Mutige klatschten

Stimmung kam auch auf, als Kurz in der Doku erklärte, dass es zwar nicht die feine Art war, als er Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in einem Chat "Oasch" genannt hatte. Dieser habe allerdings davor ein unfreundliches Buch über ihn geschrieben, rechtfertigt sich Kurz. "Ich gebe zu, es war, was ich damals empfunden habe", sagt er im Film. Ein paar Mutige klatschten.

Nach der Vorstellung waren fast ausnahmslos alle Befragten begeistert: Laura Sachslehner meinte, sie könne sich nicht erklären, warum der Film als "Lobhudelei" abgetan werde. Auch Seniorenbundpräsidentin Korosec war angetan. Sie habe das ja alles hautnah miterlebt. "Der Film gibt ein realistisches Bild aus seiner Sicht", sagte die Politikberaterin Heidi Glück. Mit "seiner Sicht" meint sie jene von Kurz.

Überhaupt nicht begeistert war – als einer von wenigen Gästen des Abends – der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell. Er wurde eingeladen, weil er eigentlich Teil des Films sein sollte. Hausjell wurde für die Produktion ausführlich interviewt. Sein Thema: die türkise Message-Control. Kurz vor der Premiere wurde Hausjell informiert, dass er im Film doch nicht vorkomme. An der Premierenfeier nahm er dennoch teil. Er spricht von einem "Werbefilm" für Kurz. Das 95-minütige Kurz-Porträt drehte Sascha Köllnreitner, der sich gegen Vorwürfe wehrt, er habe einen "Pro-Kurz-Film" gedreht. Aber nicht nur Hausjell ist mit dem Ergebnis unzufrieden. Mit einem anderen kritischen Protagonisten kam es zu einer Art Aussprache: im Podcast "Die Dunkelkammer" von STANDARD-Autor Michael Nikbakhsh, der sich ob seiner Teilnahme am Filmprojekt getäuscht sah.

Von einem "Legerl" hatte Nikbakhsh zuletzt gesprochen; das Filmprojekt habe bei der Anfrage zum Interview anders geklungen. Im Kinofilm dürfe Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger der Korruptionsstaatsanwaltschaft staatspolitische Motive unterstellen und Altkanzler Schüssel von "Verschwörungstheorien" rund um Kurz’ Machtübernahme in der ÖVP sprechen, ohne dass dem Paroli geboten werde. Das sei das nicht einseitig?

Thema Polarisierung

Köllnreitner argumentiert, dass solche Aussagen eine Wertehaltung offenbarten, gewissermaßen also für sich stünden. "Polarisierung war ein großes Thema des Films", so der Regisseur, der einräumt, natürlich in einen "Kosmos" eingetaucht zu sein. Dass Kritiker genauso lang wie Weggefährten von Kurz zu Wort kämen, hätte "dramaturgisch nicht funktioniert"; ein Porträt sei ihm interessanter erschienen als eine politische Abhandlung. Man habe in Gedankenwelten eintauchen wollen, Vorbild seien internationale Dokus über Start-up-Gründer gewesen.

"Abgecheckt" habe ihn der einstige Kurz-Berater Stefan Steiner im Spätsommer 2022, danach habe er nach und nach andere Mitglieder des Teams Kurz getroffen. Es habe nur zwei Bedingungen gegeben: Er dürfe Kurz "nicht das Wort im Mund umdrehen" und Sachverhalte nicht tendenziös darstellen. (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, Fabian Schmid, 7.9.2023)

Noch immer die graue Eminenz der Schwarzen: Wolfgang Schüssel, der findet, Sebastian Kurz sei Opfer von
PREMIERE 'KURZ - DER FILM'
APA/GEORG HOCHMUTH