Zahlreiche Frauen haben ihre Übergriffserfahrungen nun öffentlich gemacht.
Zahlreiche Frauen haben ihre Übergriffserfahrungen nun öffentlich gemacht.
AP/Evgeniy Maloletk

Der Bass ist laut, doch in Wiens Techno-Szene ist die Empörung gerade lauter. In einer Szene, in der Text eigentlich keine große Rolle spielt, haben zahlreiche Gewaltbetroffene ihr Schweigen gebrochen und Übergriffserfahrungen öffentlich gemacht – DER STANDARD berichtete. Was mit einem Online-Aufruf der Aktivistin und Partyveranstalterin Frederika Ferkova vom Kollektiv "Hausgemacht" begann, hat mittlerweile eine Debatte über Sicherheit im Wiener Nachtleben über die Techno-Szene hinaus ausgelöst. Zahlreiche Clubs und Veranstalter:innen erklärten sich unter dem Hashtag #TechnoMeToo solidarisch.

Die Aktivistinnen rund um Ferkova prangern an, dass es in der Technobranche gleich mehrere einflussreiche Männer gebe, die ihre Machtposition ausnutzen und Übergriffe, vorwiegend auf junge Frauen, verüben würden. Die Vorwürfe reichen von unpassenden Textnachrichten bis hin zu körperlicher Gewalt und massiven sexuellen Übergriffen. Auch der "Falter" recherchierte und deckte Fälle auf. Der Verein Hausgemacht hat in einem Posting auf Instagram mehrere Namen von in der Szene beruflich aktiven Männern veröffentlicht, mit denen nicht mehr kooperiert werde. DER STANDARD hat die genannten Männer kontaktiert. Alle bestreiten die Vorwürfe. Mehrere haben rechtliche Schritte gegen Hausgemacht angekündigt und sehen eine Kampagne, die das Ziel habe, sie zu diskreditieren und ihnen wirtschaftlich zu schaden.

Konsequenzen und Forderungen aus der Szene

Mehrere Clubs reagierten unterdessen bereits auf #TechnoMeToo. Im Werk wechselte die Geschäftsführung, wie via Instagram bekanntgegeben wurde. Das Fluc kündigte ein umfangreiches Sensibilisierungstraining für Mitarbeiter:innen an. Hier setzt auch die Vienna Club Commission (VCC) an, sie ist eine Service- und Vermittlungsstelle für alle Akteur:innen im Wiener Club- und Veranstaltungskontext. Gemeinsam mit der Stadt Wien soll über die Initiative "Ich bin dein Rettungsanker" ein Schulungsangebot für Club- und Barpersonal geschaffen werden.

"Initiativen wie 'Luisa ist hier' bringen nichts, wenn man zum Beispiel als Barkeeperin nicht weiß, wie man darauf reagieren soll", sieht Dóra Czövek vom Verein AwA*, der auf Awareness-Arbeit im öffentlichen Raum spezialisiert ist, das als guten ersten Schritt. Gemeinsam mit der IG Clubkultur, eine Interessenvertretung von Akteur:innen des Nachtlebens, präsentierte sie am Dienstag aber noch ein weitaus umfangreicheres Forderungspapier. Unter anderem brauche es Veränderungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen, etwa mehr Hilfe für Betroffene bei Gerichtsverfahren. Außerdem werden Änderungen bei Förderverfahren und im Veranstaltungsgesetz gefordert. Zum Beispiel sollen nur noch Clubs subventioniert werden, die Gewaltschutzkonzepte vorweisen können.

Unterstützung und Demonstration

Dafür gibt es auch Unterstützung aus der Politik: "Es muss unser aller Anliegen sein, sexualisierte Gewalt zu verhindern und Strukturen zu schaffen, die Betroffene sofort auffangen, wenn sie passiert. Deshalb braucht es klare Vorgaben zum Gewaltschutz im Wiener Veranstaltungsgesetz und in den Förderverträgen der Stadt Wien", äußerte sich die Frauensprecherin der Wiener Grünen, Viktoria Spielmann, in einer Aussendung.

Neos-Wien-Frauensprecherin Dolores Bakos erklärte sich ebenfalls via Aussendung solidarisch mit den Betroffenen. Der nun vorliegende Katalog an Forderungen sei "eine breite Basis für weitere Diskussionen". Die "Junge Generation" der SPÖ hat unterdessen für Freitag eine Demonstration in Wien angekündigt. Die Protestaktion wird auch von Frederika Ferkova und den Initiator:innen vom Verein Hausgemacht unterstützt. Unter anderem am DJ-Pult – die Demonstration ist als "Tanzdemo" angelegt. (Antonia Rauth, 8.9.2023)