Wie weit die Vorstellungen in der Vorarlberger ÖVP bezüglich Raum- und Verkehrsplanung auseinandergehen, wird sich am Montag anschaulich zeigen: In Hohenems werden beim Österreichischen Radgipfel die drei ÖVP-Bürgermeister Kurt Fischer (Lustenau), Christian Natter (Wolfurt) und Elmar Rhomberg (Lauterach) eine Keynote darüber halten, wie sie die Region fahrradfreundlicher gemacht haben. Währenddessen wird in Bregenz der Raumplanungsbeirat darüber abstimmen, ob der Dornbirner Messepark ausgebaut werden soll. Ein Ausbau, der - da sind sich die drei Anrainer-Bürgermeister sicher - in ihren Gemeinden für mehr Verkehr sorgen wird. Mehr Verkehr, den sie nicht haben wollen, und gegen den sie gemeinsam seit Jahren arbeiten. Natürlich werde er das am Montag auf der Bühne ansprechen, sagt Fischer.

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Vorarlbergs größtes Einkaufszentrum soll künftig um mehr als 5.000 Quadratmeter mehr Verkaufsflächen haben, was in den umliegenden Gemeinden für Handelsrückgang sorgen würde. Auch der erwartete Mehrverkehr ruft die Bürgermeister auf den Plan.
Stadt Dornbirn

Plan B

Der Messepark liegt an der Autobahnabfahrt Dornbirn-West der A14 und am Auslauf der Schnellstraße aus Lustenau, über die auch die meisten Konsumenten aus der Schweiz sowie der internationale Schwerverkehr, der auf die Autobahn will, kommen. Laut Umweltbericht sei das Gebiet "bereits im Bestand während der Spitzenzeiten überlastet". 75 Prozent der Besucherinnen des Einkaufszentrums kommen laut einem Gutachten mit dem Auto. Für die Erweiterung müsste deswegen auch die Zahl der Parkplätze von 1326 auf 1645 steigen.

Lustenau, Wolfurt und Lauterach sind Teil der "Plan B-Gemeinden": Mit Bregenz, Hard, Kennelbach und Schwarzach hat man sich 2004 mit dem Ziel zusammengetan, Schulen, Unternehmen sowie die eigenen Bürgerinnen und Bürger "für bewusstes, nachhaltiges und umweltfreundliches Handeln in der Region zu begeistern", wie es in der Eigenbeschreibung heißt. Seit 2020 sind die sieben Gemeinden als so genannte Klimawandel-Anpassungsmodellregion unterwegs. Die Förderung von mehr Radverkehr ist dabei zentral. So wünschen sich die Kommunen beispielsweise schon lange einen autofreien Sonntag im Ried, der Naturlandschaft im unteren Rheintal.

"Absurde" Zustände

"Auf der einen Seite werden wir für unsere Aktionen ausgezeichnet, auf der anderen wird ein Projekt wie der Messepark in dieser Art und Weise durchgezogen", sagt Fischer. "Das ist fast schon absurd." Was Fischer damit meint: Das vom Messepark-Eigentümer in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten habe er, trotz Nachfrage beim Land, nicht bekommen. Einzig eine Präsentation bei einem vom Wirtschaftslandesrat organisierten Treffen habe es gegeben, die Infos würden aber nicht ausreichen, sagt Lustenaus Ortschef.

Das Verkehrsgutachten sei nicht im Auftrag des Amtes der Landesregierung erstellt worden, zitiert die Zeitung "Neue" den Wirtschafts- und Raumplanungslandesrat Marco Tittler (ÖVP). Das Gutachten sei aber – neben anderen Dokumenten – Grundlage zur Beurteilung der Erweiterungspläne des Messeparks durch die Sachverständigen im Rahmen des Verfahrens zur Änderung des Landesraumplans. Der Gutachter habe die Pläne präsentiert, dort habe es auch die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen.

Fischer ist das zu wenig. "Lustenau ist als Grenzgemeinde natürlich Hauptbetroffener, wenn es mehr Einkaufsverkehr gibt, der ja auch aus der Schweiz kommen soll." Messepark-Eigentümer Guntram Drexel begründet den Ausbau auch damit, kaufkräftige Kundschaft aus der Schweiz zurückzuholen. Der Einkaufstourismus der eidgenössischen Nachbarn ins Ländle hat in den letzten Jahren nämlich stark abgenommen.

Unklare Zahlen

Bei einer Pressekonferenz, zu der Drexel lud, wurden die wichtigsten Kennzahlen des Gutachtens genannt: Ja, der Ausbau sorge für mehr Verkehr, führte Verkehrsplaner Helmut Köll aus. Beim viel zitierten Zuwachs von 24 Prozent gehe es aber rein um den Einkaufsverkehr, nicht um den gesamten Verkehr um das Einkaufszentrum. Da der Einkaufsverkehr nicht mehr als 30 Prozent des Gesamtverkehrs ausmache, nehme letzterer, so der Experte, durch die Vergrößerung nur um sieben bis acht Prozent zu. Und mit der neuen Verkehrslösung, einer frühen Tunnelführung von mehreren Zufahrten, mache man die Zunahme wieder wett.

Sieben oder acht Prozent mehr Verkehr, das höre sich nicht nach viel an, sagt Fischer - mache in Lustenau aber sehr wohl viel aus. "Und wir wissen ja auch nicht, wo diese sieben oder acht Prozent genau sein sollen. Beim Engel-Kreisverkehr in Lustenau? Auf der Schnellstraße? In Dornbirn?"

Die Stadt Bregenz und die Dornbirner Grünen bemängelten das Nicht-Vorliegen des Verkehrsgutachtens bereits in der Begutachtungsphase. Die Marktgemeinde Lustenau hat in ihrer Stellungnahme den geplanten Ausbau abgelehnt. "Diesen Ausbau sehen wir nicht nur schwarz oder weiß", sagt Fischer dazu. Er verstehe, dass die Eigentümer ein Interesse an Ausbau und Modernisierung haben. Was er sich aber gewünscht hätte: Einen überregionalen Dialog, gerade was die Verkehrs- und Raumplanung anbelangt. "Natürlich kümmert sich der Eigentümer nur um den Verkehr unmittelbar vor seinem Projekt, das ist klar", sagt Fischer. Für eine Lösung für das gesamte Rheintal wäre demnach das Land in der Ziehung gewesen.

Und auch Rhomberg aus Lauterach sagt: "Nichts gegen die Stadt Dornbirn. Aber Mobilität beginnt nicht am Kreisverkehr Dornbirn, sondern in der Region." Womit auch Rhomberg natürlich auch das Land und somit den zuständigen Landesrat Tittler meint.

Keine Erklärung

Dort hat man es aber offenbar eilig: Von der Auflage bis zur Abstimmung im Raumplanungsbeirat sind es zwei Monate. Eine Zeitspanne die, wie ehemalige Mitglieder des Beirats bestätigen, unüblich kurz ist. Warum die Ausbaupläne dieses Mal in so einem Tempo und ohne viel Raum für Dialog behandelt werden, kann sich Fischer nicht erklären. Er verstehe das Vorgehen weder aus raumplanerischer, noch aus politischer Sicht.

Einen Versuch, das Einkaufszentrum zu vergrößern, hatte es auch vor fünf Jahren gegeben. Damals wie heute war die kommunale Ablehnung stark. Dieses Mal haben sich knapp 80 Gemeinden gegen eine Erweiterung ausgesprochen. Nur drei Stellungnahmen, eine davon von der Arbeiterkammer, zwei von Privatpersonen, beurteilen die Pläne positiv. Elf von 96 Vorarlberger Gemeinden kritisieren die Erweiterung weder direkt noch indirekt. Für eine Erweiterung spricht sich gar keine Gemeinde aus, auch nicht Dornbirn, wo der Messepark steht und die Pläne bereits vor einem Jahr abgesegnet wurden.

Befürchteter Vertrauensverlust

Was Fischer neben dem Prozessmanagement Sorge bereitet, sind die Auswirkungen auf das Vertraue der Bürgerinnen und Bürger in die Politik. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verzeichnen hier unter den generell nicht mit guten Werten ausgestatteten Politikern noch den meisten Zuspruch. Wenn man den Bürgern aber auf der einen Seite immer wieder versichere, man kämpfe gegen das Verkehrsproblem und arbeite an Lösungen, auch mit anderen Gemeinden bzw. grenzübergreifend mit der Schweiz, und auf der anderen Seite passiere so ein Megaprojekt mit all den zu wenig bekannten Auswirkungen im Eiltempo - da sei es kein Wunder, wenn sich Enttäuschung breit mache. Das müsse doch zu denken geben, meint Fischer.

Via Aussendung meldeten sich am Freitag auch die ÖVP-Bürgermeister der Kummenbergregion - also jene aus Altach, Götzis, Koblach und Mäder. Die vier Ortschefs betonten, dass ihre Gemeinden sich in den Stellungnahmen überwiegend ablehnend ausgesprochen hätten. Ihre Bedenken, welche auf Studien basieren würde, könne man nicht einfach ignorieren. Sie sehen ihre Ortszentren gefährdet. "Wir erwarten uns von der Landesregierung eine entsprechende Unterstützung und Absicherung der getätigten Investitionen und Entwicklungen, statt Unterstützung von überwiegend privaten Interessen, die diese Bemühungen konterkarieren", schreiben die vier.

Ausgang ungewiss

Der Druck aus der Landespartei dürfte jedenfalls hoch sein: Lauterachs Bürgermeister Rhomberg wollte sich auf Anfrage der Vorarlberger Nachrichten trotz deutlicher Kritik in der Stellungnahme und in den Medien nicht festlegen, wie er am Montag abstimmt. Er wolle seine Bedenken einbringen, Fragen stellen und sich dann entscheiden. Rhomberg ist eines der 13 Mitglieder des Beirats, in dem fachliche Experten und Vertreterinnen der Parteien sitzen. In die Karten schauen lassen wollten sich aber auch die anderen Mitglieder vorab nicht. Fischer gibt sich gespannt. Das schnelle Verfahren habe zumindest den Vorteil, dass man rasch wisse, was Sache ist. Und dann sei natürlich spannend, wieviel Spielraum es noch gebe. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) betonte im Sommergespräch mit dem ORF Vorarlberg, dass man sich bisher immer an die Entscheidungen des Beirats gehalten habe und das auch weiterhin so handhaben wolle. (Lara Hagen, 9.9.2023)