Als jemand, der in der Vergangenheit kaum eine Chance ausgelassen hat, die Moderationsentscheidungen früherer Twitter-Betreiber öffentlich zu kritisieren, sollte man eigentlich meinen, dass Elon Musk für mehr Transparenz in diesem Bereich ist. Doch weit gefehlt: das in seinem Besitz stehende und mittlerweile auf X umbenannte Unternehmen hat nun Klage gegen ein neues Gesetz (AB 587) in Kalifornien eingereich, das Unternehmen zur Offenlegung von Moderationsentscheidungen zwingen soll.

Das X-Logo auf dem Hauptquartier des Unternehmens in San Francisco
Das X-Logo auf dem Hauptquartier des Unternehmens in San Francisco
AP/Noah Berger

Eine zusätzliche Bürde

Die Argumentation von X: Es sei schwer, Dinge wie Hass, Desinformation oder auch politische Einflussnahme präzise zu definieren. Genau das müssten die Betreiber von Sozialen Netzwerken aber künftig machen, um ihre Entscheidungen zu definieren, womit sie auch öffentlich eine inhaltliche Positionierung vornehmen müssen. Das sei ein Zwang, der geltendem Recht zur freien Meinungsäußerung widerspreche, immerhin werden die Firmen damit gegen ihren Willen dazu gezwungen, Stellung zu beziehen.

Ungewohnte Allianzen

AB 587 wurde bereits vor rund einem Jahr beschlossen, das Gesetz wurde damals unter anderem von Gouverneur Gavin Newsom (Demokraten) als eine US-weit führende Maßnahme zur Schaffung von Transparenz im Bereich Social Media gefeiert. Kritik gab es damals aber auch schon. Wie so oft bei solchen Regulierungen habe man die Nebeneffekte nicht bedacht, formuliert es etwa Mike Masnick von Techdirt, der sonst einer der schärfsten Musk-Kritiker ist, in diesem Fall aber an dessen Seite steht.

So sei es bezeichnend, dass die größten Unternehmen der Branche kein Problem mit dieser Form der Regulierung haben. Sei es für diese doch einfach, diesen Regeln zu folgen, und damit Bonuspunkte bei der Politik zu sammeln, da sie sich brav an neue Vorschriften halten. Für kleine Firmen sei es hingegen ein massives Problem, solch ein internes Regelwerk zu formulieren und umzusetzen, was indirekt dazu führt, dass die Marktmacht der Großen betoniert wird.

Gut gemeint...

Ähnliche Vorwürfe von unbedachten Nebeneffekten gab es in früheren Jahren auch immer wieder gegen die Wettbewerbshüter in der EU, wenn neue, eigentlich genau gegen Big Tech gerichtete Regulierungen, schlussendlich nur von diesen problemlos umgesetzt werden konnten. Das ist auch der Grund dafür, dass neuere Regulierungsversuche wie der DSA und DMA gezielt Spezialregeln für die größten Firmen definieren.

All das erklärt auch, warum es jetzt ein Jahr gebraucht hat, bis sich mit Twitter/X das erste bekannte Unternehmen gefunden hat, das gegen AB 587 klagt. Ähnliche Vorschriften wurden übrigens mittlerweile auch in Texas und Florida eingereicht, in beiden Fällen gibt es aber bereits Beschwerden beim Obersten Gerichtshof der USA. (apo, 10.9.2023)